Tatsachen

Ein Beispiel dafür, wie schädlich Textkürzungen sein können und wie wenig Hintergrundgeräusche die Spannung steigern: „Kaltblütig“, Truman Capotes „nichterfundener Roman“, als Hörspiel in der Regie von Irene Schuck

Im November des Jahres 1959 fiel die vierköpfige Familie Clutter in einem Dorf in Westkansas einem grausamen Mord zum Opfer. Ein Tatmotiv ließ sich zunächst nicht erkennen, die Beute der Räuber betrug ganze vierzig Dollar. Schon kurz nach dem Aufsehen erregenden Kriminalfall begann Truman Capote seine Recherchen, begab sich an den Ort des Geschehens, befragte Nachbarn und Freunde der Opfer, studierte Polizeiakten.

Nachdem die Verdächtigen Richard Hickock und Perry Smith wenig später gefasst worden waren, besuchte er sie bis 1964, das Jahr ihrer Hinrichtung, regelmäßig im Gefängnis und hörte sich ihre Version der Geschichte an. Aus den umfangreichen Aufzeichnungen rekonstruierte Capote den Tathergang wie auch ein genaues Psychogramm der Täter und schrieb sein spektakulärstes Buch, einen „nichterfundenen Roman“, wie er selbst es nannte, ein Mittelding zwischen Fiktion und Reportage.

Capotes bereits 1967 von Richard Brooks glänzend verfilmter Tatsachenroman liegt nun auch als Hörspiel in der Regie von Irene Schuck vor – bearbeitet und gekürzt bis in den Titel hinein, der im Amerikanischen von einem „multiple murder“ und in der deutschen Übersetzung von „mehrfachem Mord“ weiß. Zwar ist durch die Verteilung des Berichts auf einen neutralen Erzähler und mehrere Figuren wie auch durch immer wieder eingeschobene Zitate aus Protokollen, Akten und Briefen die Grundstruktur des Originals im Wesentlichen beibehalten. Allerdings wurden wesentliche Passagen gestrichen.

Wie zum Ausgleich für die Textkürzungen gibt es jede Menge Hintergrundgeräusche: das Heulen der Sirenen, das Brummen des Motors auf nächtlicher Straße, das Brüllen der Gefangenen in den Isolierzellen im Keller des Gefängnisses, hier und da ein paar schnelle Jazzsequenzen oder bedrohliche Klänge à la Hitchcock.

Das ist gut gemeint, verkennt aber leider, dass alle vermeintlich Authentizität erzeugenden, spannungssteigernden Mittel an diesem Buch von vornherein scheitern müssen. Denn der Roman hat eine Spannung und eine Authentizität, die gerade von seinem sparsamen, gänzlich unprätentiösen Stil lebt und sich durch keinerlei künstliche Zusatzstoffe steigern lässt. MARION LÜHE

Truman Capote: „Kaltblütig. Wahrheitsgemäßer Bericht über einen Mord und seine Folgen“. Hörverlag,München 2004, 2 CDs,ca. 146 Minuten, 19,95 €