Kalorienbombe unterbricht Atomkrieg

Koalition kann sich nicht über Export von Nuklearanlage einigen. Schröder bekräftigt Rechtsanspruch des Siemens-Konzerns. Grüne wollen Entschließung gegen den Verkauf verabschieden. Cohn-Bendit sieht Verstoß gegen EU-Waffenembargo

AUS BERLIN ANDREAS SPANNBAUER

Der Umgang mit der Atomenergie bringt die rot-grüne Koalition immer stärker in Bedrängnis. Bundeskanzler Gerhard Schröder verteidigte gestern erneut den Verkauf der Hanauer Nuklearfabrik an China – und schürte damit den Ärger der Grünen. „Man weiß in der Regierung seit längerem, dass wir diesen Rechtsanspruch erfüllen müssen“, sagte Schröder im ZDF über den von Siemens geplanten Export der Anlage.

Auch SPD-Fraktionschef Franz Müntefering rechtfertigte das Vorhaben. „Mit dem Abbau der Atomkraft in Deutschland ist nie verbunden gewesen, dass wir weltweit darauf drängen, dass kein anderes Land der Welt die Kernkraft nutzen kann“, sagte er im Deutschlandfunk.

Die Grünen wollen dagegen das Geschäft stoppen. Die Abgeordneten Winfried Hermann und Michaele Hustedt legen morgen bei der Sitzung der grünen Bundestagsfraktion einen Entschließungsantrag gegen die Atomhändel mit China und Finnland vor. „Ich wünsche mir, dass die Erklärung eine möglichst klare Aufforderung an die Bundesregierung enthält, von beiden Vorhaben abzulassen“, sagte Hermann gegenüber der taz. Bei dem Finnland-Geschäft geht es um eine staatliche Bürgschaft für die Lieferung von Turbinen an ein Atomkraftwerk.

Hermann sagte, er gehe davon aus, dass der Export nach China nach dem Außenwirtschaftsgesetz verhindert werden könne. Auch zu einer Bürgschaft sei der Staat nicht verpflichtet. Weitere Unterstützer der Erklärung sind der verteidigungspolitische Sprecher Winfried Nachtwei und der Fraktionsvize Reinhard Loske. Auch der grüne Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer hat bereits angekündigt, seine Partei werde die gegebenen Möglichkeiten voll ausschöpfen.

Nach Angaben des Umweltministeriums kann die Anlage ein Glied in der Produktionskette für waffenfähiges Plutonium sein. Eine schriftliche Garantie der chinesischen Regierung, daran nicht interessiert zu sein, reicht zumindest Teilen der Grünen nicht aus. Einen „Witz“ nannte Hermann die Berufung Schröders auf eine entsprechende Zusage Chinas. Diese sei „nicht mehr als ein juristisches Placebo“. Mit dem gleichen Argument könne man in jedes Kriegsgebiet Waffen verkaufen, solange der Käufer seine Absicht erkläre, diese nicht zu benutzen.

In der Sitzung der Grünen-Fraktion wird es auch um die Frage gehen, ob die grünen Minister Joschka Fischer und Jürgen Trittin das Geschäft bewusst verschwiegen haben. SPD-Fraktionschef Müntefering sagte in diesem Zusammenhang, er fühle sich von der Regierung nicht übergangen, weil „alle Mitglieder des Kabinetts rechtzeitig über den Exportantrag informiert wurden“. Aus Kreisen der Regierungsfraktionen hieß es aber, auch bei der SPD seien einige Abgeordnete „stinkig“.

Der Spitzenkandidat der Grünen für das Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, kündigte an, den Export auf EU-Ebene stoppen zu wollen: Er widerspreche dem EU-Waffenembargo gegen China. Schröder und Fischer trafen sich gestern zu einem Essen, um den Konflikt zu entschärfen. Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt. Bis übermorgen muss sich die Koalition auf eine gemeinsame Linie einigen. Union und FDP wollen den Handel am Mittwoch zum Thema im Bundestag machen.