Blümchenblau

Junge Autoren und die deutsche Vergangenheit: In „Stadt Land Krieg“ ist das ein etwas zwanghaftes Thema

Das Podewil ist in rot-gelbes Licht getaucht, als Tanja Dückers erklärt, warum sie die Anthologie „Stadt Land Krieg“ (Aufbau Verlag) publiziert hat. „Meine Mitherausgeberin Verena Carl und ich wollten zeigen, dass die junge Autorengeneration nicht nur privatistisch oder hedonistisch denkt. Günter Grass und Martin Walser sind nicht die Einzigen, die über die deutsche Vergangenheit schreiben können.“

Sechs Kurzgeschichten werden an diesem Winterabend in Britta Gansebohms Literatursalon vorgestellt. Tanja Langer trägt etwas über eine unheimliche Mutter vor, die öfters zwanghaft in den Wald läuft und eines Tages nicht wiederkehrt. Sehnsuchtsvolle Erinnerungen an litauische Landschaften scheinen dabei eine Rolle zu spielen. Das mag nicht „revisionistisch“ gemeint sein, auch nichts mit Vertriebenenromantik zu tun haben – aber es ist zumindest stilblütenverdächtig: „Der Wind streicht durch die Bäume wie ein Cello.“

Muss schon Dückers’ Verweis auf das angebliche Vergangenheitsmonopol der Herren Grass und Walser erstaunen, so steigert sich das Befremden noch, als sie schließlich aus ihrem Text „Der Leuchtturmwärter“ vorliest. Vorgeblich geht es in dem heimeligen Dialog um Polen, und auch noch die untergegangene „Wilhelm Gustloff“ soll vorkommen. Also ausgerechnet jenes gegen Ende des Zweiten Weltkriegs torpedierte deutsche Flüchtlingsschiff, das Grass in seinem entbehrlichen Roman „Im Krebsgang“ den zweifelhaften Ruf einbrachte, „endlich“ auch einmal das deutsche Kriegsleid beschrieben zu haben.

Gibt es für junge Autorinnen, die „ganz anders als ihre Vorgänger“ über die mörderische deutsche Geschichte schreiben wollen, denn keine anderen Sujets?

Stattdessen bietet der Abend erzählerische Hilflosigkeiten aus der blümchenblauen Poesieschublade. Gastgeberin Gansebohm liest noch Norbert Krons Text über einen jungen Mann vor, der sich selbst zwanghaft des antisemitisch motivierten Woody-Allen-Fantums bezichtigt. Wie lustig: Der Witz der Story ist nämlich keiner. Diese hippe Verspottung masochistisch geschwungener „Auschwitzkeulen“ auf der deutschen Analysecouch finden doch höchstens Walsers Lieblingsenkel lustig.

Frankfurter Paulskirche light: Mehr war nicht. JAN SÜSELBECK