Vom Lustwandeln zu Pferd

Herbert Fischer, 64, gilt als Nestor des Wanderreitens. Seit 18 Jahren zieht er von seinem Hof im Westerwald aus zu Pferd durch Deutschland, Frankreich und Italien. Als Gründer der Deutschen Wanderreiter-Akademie bildet er auch selbst Rittführer aus

Interview STEFAN SCHOMANN

taz: Herr Fischer, Sie werden gerne als „Wanderreiter-Papst“ tituliert. Wie lautet denn Ihr Credo?

Herbert Fischer: Für mich bildet das Reisen zu Pferd eine Komposition aus Natur und Landschaft, Kultur und Historie, angenehmer Gesellschaft, kulinarischem Genießen und einem Hauch von Abenteuer. Wir wollen die alte Art zu reisen wiederbeleben. Diese Bewegung hat in Frankreich begonnen, wo man mehr Sinn für Abenteuer hat – das Wort stammt ja von der mittelalterlichen „Aventure“.

Welche Abenteuer erlebt man denn mit Ihnen unterwegs und hoch zu Ross?

Die kommen von selbst, man muss sie nur wahrnehmen. Im Sommer habe ich meine Tochter einmal zu Pferd abgeholt, und wir sind im Dunkeln nach Hause geritten. Da leuchtete das ganze Tal voller Glühwürmchen – das war ein Abenteuer! Für meine Tochter und für mich.

Wie weit kommt man auf einem Pferd?

Ein Tagesritt entspricht nur zwanzig Minuten im Auto auf der Bundesstraße. Aber wir wollen ja auch verweilen. Der schönste Umweg ist das Ziel – Wanderreiten heißt lustwandeln zu Pferd. Wer nur den Kick sucht, ist bei solchen Reisen allerdings fehl am Platz.

Welche Voraussetzungen sollte man für einen Ritt bei Ihren Touren mitbringen?

Die wichtigste ist, dass man diese Art des Reisens wirklich will. Auch sollte man einigermaßen sportlich sein und keine Angst vor Pferden haben. Alles andere lässt sich hinkriegen. Eine gezielte Vorbereitung wäre natürlich ratsam, doch am meisten lernen die Leute auf dem Ritt. Wichtig ist, dass jeder das richtige Pferd kriegt. Je unerfahrener der Reiter, so die Faustregel, desto erfahrener sollte das Pferd sein.

Wie erlebt man als Reiter Natur?

Das Pferd dient als Medium zwischen Mensch und Natur. Zu Pferd sehe ich noch mehr als zu Fuß. Nicht so sehr, weil ich höher sitze, sondern weil das Tier mit Acht gibt. Der Wanderer muss immer ein Auge auf den Weg haben. Pferde hören und sehen auch mehr als wir. Indem wir sie beobachten, nehmen wir die Umgebung besser wahr: Aha, dort drüben spielt eine Fuchsfamilie. Da die Witterung des Pferdes die des Reiters überdeckt, reagiert das Wild darauf viel gelassener.

Sind Wanderritte auch Kulturreisen?

Was an Kultur in der Landschaft steht, nehmen wir mit. Wenn ich freilich die Gedächtniskirche in Berlin sehen wollte, wäre der Asphaltanteil zu hoch. Aber Burgen, Schlösser, Klöster bilden pferdegerechte Stationen, ebenso alte Höfe und Mühlen. Daran kann sich auch die Fantasie entzünden.

Die Fantasie reitet mit?

Deshalb haben wir die blaue Blume der Romantik als Motto gewählt: die zum Horizont gerichtete Sehnsucht. Das Pferd dient dieser Sehnsucht als Vehikel. Verglichen mit so einer Tour erscheint eine Flugreise geradezu degoutant.

Wo wird übernachtet?

Der Platz des Reiters ist dort, wo die Pferde stehen. Wir haben Matten und Schlafsäcke dabei, wenn’s regnet, auch Zelte. Nur wenn jemand möchte, organisieren wir auch Zimmer. Wir reiten auch bei jedem Wetter, außer bei extremsten Bedingungen: wenn es mal hagelt oder Glatteis herrscht.

Wanderreiten in Deutschland – geht das überhaupt?

Ich bin erstaunt, wie viel Wildnis es auch hierzulande gibt. Die Mittelgebirge eignen sich am besten für uns. Sie sind stark strukturiert, haben aber wenig Landwirtschaft. Ich reite am liebsten mit der Landschaft, folge erst dem kleinen Bach, dann dem größeren und so weiter. Viele reiten ja im Urlaub mal aus, auf Korsika oder in Marokko. Doch im Westerwald oder im Hunsrück geht es genauso. Nur hat es da für einige weniger Prestige. Aber dieses Bedürfnis, mal so einen großen Treck zu machen, das steckt, glaube ich, in allen Menschen drin.

Kontakt: Fischerhof, 56410 Reckenthal/Montabaur, Tel. (0 26 02) 1 85 07, Fax 34 02