Tod den Tonis

Nieder mit dem weihnachtlichen Grauen des Bastelbuch-Berserkers Armin Täubner

Man darf ja Menschen nicht hassen, nur weil sie ihre Arbeit tun. Trotzdem finde ich, im Falle des Armin Täubner sollten diesbezügliche Regeln gelockert werden. Armin Täubner nämlich schreibt Bastelbücher. Die durch die Bank weg dumme Titel haben – wie zum Beispiel „Löffelkerlchen zur Weihnachtszeit“ oder „Kecke Kantenhocker“.

Diese Löffelkerlchen und Kantenhocker machen leider die Welt um uns herum sehr, sehr hässlich. Ein Blick auf den Klappentext genügt: „Kecke Kantenhocker sind süße Gesellen aus Holz, Farbe und Schnur mit baumelnden Beinen. Basteln Sie Maus, Katze, Krokodil und allerlei andere fröhliche Vierbeiner!“ O nein! Ich will keine „fröhlichen Vierbeiner“ in meinem Gesichtskreis! Ich will dort auch keine schrecklichen „Löffelkerlchen zur Winterzeit“, die folgendermaßen angepriesen werden: „Der neue Bastelspaß mit Kochlöffeln aus Holz: Rentier und Weihnachtsmann als Geschenkanhänger, Baumschmuck, Türschild und Thermometerhalter …“ Was bitte ist ein „Thermometerhalter“? Weshalb muss man ihn aus alten Kochlöffeln zusammenbasteln? Wer macht so was?

Die Antworten muss man leider nicht lange suchen: Man gehe einfach in den Baumarkt seiner Wahl, kaufe dort eine Packung Fensterkitt und eine Dreiersteckdose und stehe damit 45 Minuten an der Kasse an. Direkt vor einem: eine auf den ersten Blick harmlos aussehende Dame mittleren Alters. In ihrem Einkaufswagen: 80 Kilo Miniatur-Tontöpfe. Die muss sie alle einzeln aufs Band legen. Einer davon könnte ja ein Sprünglein haben. Träge kreisen die Gedanken des Wartenden: Für was die Dame wohl so viele Töpfchen braucht? Vielleicht ist ein aus dem Fahrzeuggefängnis entfleuchter Traktor durch ihr Kakteengewächshaus gefahren und hat der armen Dame alle ihre Töpfchen kaputtgemacht? Oder sollte sie eigentlich 200 Kreuzschlitzschrauben für ihren Gatten besorgen und wurde vom Verkäufer ganz böse übers Ohr gehauen?

Dann aber legt die Dame ein kleines grellbuntes Büchlein aufs Band. Man erhascht einen kurzen Blick auf den Titel und erstarrt. Alles Mitleid ist wie weggeblasen. Das Buch ist von Armin Täubner! Und es trägt den Titel aus der Hölle: „Winterliches aus Mini-Tonis“. Falls man noch nicht viel Böses im Leben gesehen hat, erkennt man vielleicht nicht sofort, was für ein schlimmes Wort „Mini-Tonis“ ist. Aber dann kommt sofort eine zweite Dame in den Baumarkt und kreischt: „Huhu, Inge! Kaufst du auch Mini-Tonis?“ Gleich dringen weitere schrille Stimmen an das Ohr des Unbedarften. Sie kommen aus der Bastelmaterial-Ecke und kreischen: „Mini-Tonis sind ja soooo süß!“ oder „Ich schenke allen meinen Freunden goldige Mini-Tonis zu Weihnachten!“ oder „Sogar meine vierjährige Tochter kann schon die niedlichen Mini-Tonis basteln! So ein Glück!“ So ein Glück, pah!

Noch ein letzter panischer Blick auf den Klappentext des Buches: „Der Deko-Hit des Jahres 2003! Landauf und landab trifft man auf die lustigen Gesellen aus Tontöpfen. Sie verschönern Fensterbänke, bewachen Haus und Hof und sind DAS kreative Hobby!“ Die eilige Flucht nach Hause nutzt nichts: Cousine Elke hat schon ihr Weihnachtsgeschenk vor die Tür gestellt: ein dummer Mini-Topf mit einer blöden Holzkugel obendrauf, Haaren aus Bindfäden und einem grenzdebilen aufgemalten Gesicht: Ein „Mini-Toni“! Die dilettantisch aufgeklebte Pfeifenreinigermütze verrät: Es soll ein Weihnachtsmann sein. Schnell fallen lassen! Juhu, kaputt!

Im Wohnzimmer aber wartet schon das Grauen: „Schau, Mann!“, ruft die Geliebte mit unnatürlich schriller Stimme: „Ich bastle Schneemänner aus Mini-Tonis. Das geht soooo einfach, und wir schenken sie all unseren Freunden!“

Per Internet möchte ich dem Verursacher dieser Bastelkatastrophe wüste Beschimpfungen zukommen lassen. Aber gibt man dort den Namen Armin Täubner ein, erhält man nur seitenweise Lobpreisungen von begeisterten Frauen. Birte F. aus Hamburg zum Beispiel schreibt: „Ich habe schon mehr als 30 verschiedene Mini-Tonis gebastelt und die Beschenkten dabei jedes Mal ganz glücklich gemacht! Besonders niedlich finde ich die Engel, die Lichtheiligen, den Elch und die Pinguine, den Weihnachtsmann, Knecht Ruprecht, Rentiere, Weihnachtswichtel, Nikolaus, die Krippenfiguren Maria, Josef, Jesuskind, Ochse, Esel, Hirten, Schafe, die Heiligen Drei Könige mit ihren Dromedaren und den Bären. Witzig sind auch die beiden Ski fahrenden Elche …“ Aufhören!!!

Während die Geliebte weiter ihre „Mini-Toni“-Schneemänner für „all unsere Freunde“ zusammenklebt, fahre ich schleunigst zurück in den Baumarkt, stehe 45 Minuten an und bezahle meine eigenen Geschenke: Hämmer! Für jeden Freund einen. Auf dass unsere Freunde auch nach Weihnachten noch unsere Freunde sind. FRANK M. ZIEGLER