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: Atomfabrik nach China – der GAU der Grünen

„Seit Tschernobyl wissen wir, das die Nutzung des Atoms zur Energieproduktion eine grenzenlose Bedrohung für die Menschen darstellt.“ Das hat Joschka Fischer 1986 geschrieben. Dieser Satz gilt offenbar nicht mehr. Nicht wenn es Kanzler Schröder einfällt, den Export einer Plutoniumfabrik zu forcieren.

Die Grünen schneiden derzeit in Umfragen blendend ab. Sie gelten irgendwie als moralisch korrekt, aber manierlicher als früher. Mit dem guten Image kann es bald vorbei sein. Denn der Hanau-Deal ist etwas Neues. Er geht nicht in der grünen Erzählung auf, dass man, wie in der Atompolitik, leider viele Kompromisse machen muss, um seinen Zielen etwas näher zu kommen. Oder dass man, wie im Kosovo, die Gewaltfreiheit der universellen Verteidigung der Menschenrechte opfern muss. Die Erzählung, all die Kompromisse seien letztlich moralisch gerechtfertigt, ist die Basis des grünen Erfolgs. Das ist hier anders.

Die Plutoniumfabrik zu exportieren, ist keine „bittere“ Unvermeidlichkeit, wie Fischer meint. Niemand begreift, warum in China ungefährlich sein soll, was bei uns stillgelegt wurde. Niemand versteht, warum dieses Geschäft unvermeidlich sein soll. Der Universalismus – im Kosovo immerhin ein Argument, um einen Krieg zu rechtfertigen – hat bei diesem Deal einen Preis: 50 Millionen Euro Gewinn für Siemens. Und, für die Grünen, den Koalitionsfrieden. So billig wurde selten das Selbstverständnis einer Partei verscherbelt.

Eher pflichtgemäß fällt auch der grüne Widerstand aus. Sogar Christian Ströbele hat erst nach einigem Anlauf protestiert. Wer so agiert, will nichts mehr retten, sondern nur noch ordnungsgemäß die Fahnen einrollen. Man muss sich nur mal kurz vorstellen, was für ein Empörungstremolo von den Grünen zu hören wäre, wenn Kohl und Kinkel diesen Deal zu verantworten hätten.

Doch wenn die Grünen dieses Geschäft achselzuckend hinnehmen, schaffen sie ein Symbol: Hanau kann das Zeichen für all die bislang erfolgreich verdeckten grünen Sinnverluste auf dem Weg nach oben werden.

Fischers Argument, dass Rot-Grün diesen Verkauf leider nicht verhindern könne, ist fadenscheinig. Die Hanauer Fabrik kann zur Produktion von Waffen benutzt werden. Wahrscheinlich ist dies nicht. Aber die Möglichkeit reicht aus, um den Deal zu verhindern. Wenn man es will.

Wozu aber braucht man einen grünen Außenminister, der noch nicht mal den Export einer Plutoniumfabrik stoppen kann, die militärisch verwertbar ist? Das ist die Frage. Wenn Fischer sie nicht beantworten kann, ist es vorbei mit der grünen Glaubwürdigkeit. Vielleicht nicht sofort. Aber nachhaltig. STEFAN REINECKE