Das falsche Lächeln von Wal-Mart

Die Mitarbeiter der Supermarktkette in China dürfen jetzt einer Gewerkschaft beitreten. Mit freundlicherer Personalpolitik und mehr Mitbestimmung hat das aber nichts zu tun

PEKING taz ■ Selbst für die größte Supermarktkette der Welt gelten in China die Gesetze der Kommunistischen Partei. Also wird es in chinesischen Wal-Mart-Läden in Zukunft auch Gewerkschaften geben. In einer unerwarteten Kehrtwende der bisherigen weltweiten Betriebspolitik gestand der US-Handelskonzern Wal-Mart jetzt seinen chinesischen Angestellten das Recht zu, Gewerkschaften zu gründen.

„Sollten Angestellte die Bildung einer Gewerkschaft verlangen, wird Wal-Mart China ihre Wünsche respektieren und seinen Pflichten im Rahmen des chinesischen Gewerkschaftsgesetzes nachkommen“, hieß es in einer Stellungnahme des Konzerns. Noch vor kurzem hatte Wal-Mart-Chef Lee Scott auf Besuch in China genau das ausgeschlossen: „Wir ziehen direkte Gespräche zwischen Managern und Angestellten vor, dazu bedarf es keiner dritten Partei, um die Angestellten zu vertreten“, sagte Lee in Peking. Damit beschrieb er die globale Konzernpolitik des Unternehmens. Bisher ist nur in einer kanadischen Niederlassung von Wal-Mart eine Gewerkschaft präsent. Überall in der Welt, von Kansas bis Bangladesch, ist Wal-Mart berühmt für seine gewerkschaftsfeindliche Managementideologie. In China aber wird nun der staatliche Dachverband „All China Federation of Trade Unions“ (ACFTU) mit den ihm vertrauten Methoden der Zwangsrekrutierung von Gewerkschaftsmitgliedern dafür sorgen, dass in den bislang 40 Wal-Mart-Läden des Landes Gewerkschaftsgruppen des ACFTU aktiv werden.

Der seit einigen Wochen schwelende Streit zwischen Wal-Mart und ACFTU zeigt die Absurdität der öffentlichen Auseinandersetzung über Arbeiterrechte in einem kommunistisch regierten Land, dass den Konzernen im Prinzip alles erlaubt und den Arbeitern gar nichts. Zwar hat der ACFTU auf dem Papier 123 Millionen Mitglieder und war vor der kommunistischen Revolution von 1949 durch Streiks maßgeblich an ihrem Erfolg beteiligt. Doch seither ist kein Streik mehr erlaubt, da laut KP-Theorie die Arbeiterinteressen im Kommunismus von Partei und Regierung vertreten werden. Die Marktreformen der letzten zwanzig Jahre haben daran nichts geändert. Das führte dazu, dass gerade für ausländische Konzerne China bis heute als arbeitspolitisches Schlaraffenland gilt. Denn freie Gewerkschaften sind gänzlich verboten und dem ACFTU fallen in der Regel eher soziale Aufgaben wie die Rentnerbetreuung zu.

Wal-Mart aber machte in China den Fehler, seine gewerkschaftsfeindliche Ideologie öffentlich zu verkünden. Das konnte der ACFTU natürlich nicht dulden, denn rein ideologisch ist China Gewerkschaften wohlgesinnt. Nur die Praxis sieht anders aus. Also prangerten ACTFU-Funktionäre die für diesen feinen Unterschied offenbar unsensiblen US-Manager in den letzten Wochen öffentlich an. Für die staatskontrollierten chinesischen Medien bot das die willkommene Gelegenheit, mit Arbeiterparolen gegen die Großkonzerne im Land Schlagzeilen zu machen. Schon lief eine regelrechte Kampagne. GEORG BLUME