Von Würmern und Menschen
: Potenzbremse Pestizid

Seit den 50er-Jahren schon wird das Supergift Endosulfan auf dem Acker versprüht. Nicht unbedingt zum Wohle der Menschen

Das Unkraut muss weg. Die gefräßigen Insekten auch. Und so wird mit Hilfe von Pestiziden Mais, Bananen und Sojabohnen der Weg ins ungestörte Wachstum gesprüht. Unerwünschte Nebenwirkung: Was Wurm und Wanze zu schaffen macht, ist auch für den Menschen schädlich. Zumindest dann, wenn er keine entsprechende Schutzkleidung trägt. Und die ist vor allem in Entwicklungsländern meist schweißtreibender Luxus, den man sich bei hohen Temperaturen und knappen Finanzen nicht gönnen kann – und will. Denn die wenigsten wissen, welche Auswirkungen der Insektentöter auf ihren Körper hat.

Aktuelles Schreckgespenst: Endosulfan. Der Halogenkohlenwasserstoff ist seit über 50 Jahren auf dem Pestizid-Markt: in Deutschland zwar nicht zugelassen, aber in den USA tonnenweise versprüht. Und auch in Indien landwirtschaftlicher Alltag. Die Folge: Junge Burschen, die mit dem toxischen Gift in Kontakt kommen, entwickeln ihre sexuelle Reife wesentlich später als ihre unberührten Geschlechtsgenossen. Dies fand das National Institute of Environmental Health Sciences kürzlich in einer Studie im indischen Nord-Kerala heraus. Und, noch erschreckender: Selbst nach zehn Monaten ist das Pestizid im Körper immer noch nachweisbar.

Bereits vor drei Jahren hatte die EU Endosulfan auf die Liste potenzieller Hormonstörer verbannt. Diese treiben ihr Spiel unter anderem mit den sexuellen Steuerstoffen Testosteron und Östrogen: Sie hemmen ihre Ausschüttung, fördern ihre Bildung oder – besonders gewieft – imitieren ihre Wirkung.

Dass Pestizide sich an Hormonen vergreifen, ist erst seit etwa zehn Jahren bekannt – und die daraus resultierenden Folgen werden allmählich sichtbar. Denn ein hormoneller Wirrwarr kann nicht nur die Fruchbarkeit mindern und die Entstehung von Hoden- und Brustkrebs fördern. Es kann auch das Immunsystem schwächen – und sogar Funktionen des Gehirns stören. Dennoch will die EU derzeit von dem Hormonschreck Endosulfan nicht ganz lassen – und ihn zusammen mit 800 anderen Pestiziden jetzt erst einmal auf Umwelt- und Gesundheitsrisiken überprüfen.

BETTINA GARTNER