Wertsteigerung der Region Ost

Energielandschaft statt Schrumpfung: Die Fachtagung „Inwertsetzung von Kulturlandschaft“ hat Projekte für die zerfurchten Ex-Bergbauregionen im südlichen Umland Berlins diskutiert und weitreichende Perspektiven entworfen

Ist von Kultur oder wie in unserem Fall von Kulturlandschaft und gleichzeitig von deren „Inwertsetzung“ die Rede, ruft dies Irritationen hervor. Steckt doch in jenem Begriff etwas von gefährlicher betriebswirtschaftlicher Größe. Schon aus diesem Grund verwandte man auf der Tagung „Inwertsetzung von Kulturlandschaft“ – die am Dienstag vom Bundesbauministerium im Rahmen des Forschungsvorhabens Aufbau Ost veranstaltet wurde – den Terminus technicus recht vorsichtig ein. Man sprach eher von „Qualifizierung“ für die traditionsreichen brandenburgischen Landschaftsräume in der Lausitz, dem Spreewald oder in „Ferropolis“, der einstigen Bergbaulandschaft südlich von Berlin, die alle durch Eingriffe in die Natur massiv verändert wurden und für die neue Nutzungen entwickelt, aber auch noch gesucht werden.

Der Vorsicht erwies man zu viel Ehre, ist doch die Inwertsetzung genau der richtige Begriff, den die Veranstalter gewählt haben für den Umgang und die Perspektiven in diesen Räumen, denen eine vergleichbare Umwälzung bevorsteht wie dem Ruhrgebiet.

Die ehemaligen Kulturlandschaften für den Tagebau, die Industrieproduktion, aber auch der preußischen und DDR-Geschichte werden derzeit zwar mit einem Aufwand von 9,3 Milliarden Euro saniert, wie Friedrich von Bismarck von der Stuba-Braunkohlesanierung erinnerte. Die „gestörte Landschaftsentwicklung“ im südlichen Umland aber wesentlich mit „weichen“ Mitteln der Baumbepflanzung, der Bewässerung, der wilden Renaturierung oder den Mitteln der Denkmalpflege zu korrigieren genüge jedoch nicht.

Warum nicht?, so fragten rhetorisch Brigitte Scholz von der IBA-Lausitz und der Journalist Christian Welzbacher, um gleich die Antwort zu geben. Es gehe nicht allein um die Sanierung, sondern um die Pflege, Transformation und „Inwertsetzung“ dessen, was da ist. Es geht um Planung, neue Arbeitsplätze im Umfeld ostdeutscher Städte.

Die Wertsteigerung der Kulturlandschaft in der Lausitz, versteht man Scholz richtig, geht planvoll, aber behutsam voran. Die IBA renaturiert, legt Seen in den Gruben an, macht touristische „Oasen- und Wüstenwanderungen“, arbeitet mit Kunst und Technik. Das ist viel.

In Ferropolis will man weiter, sucht aber noch nach dem inwertgesetzten Leitbild. Was ist die Landschaft dort, ihr Begriff, ihr möglicher Weg. Ist die Region spezifisch, ja vielleicht denkmalgerecht und kommerziell nutzbar und planbar, wie Welzbacher anmerkte? Und muss man so weit gehen wie in Brand, wo das Großprojekt „Tropical Island“ in der riesigen Cargolifter-Halle die märkische Landschaft massiv verändert und in sie eingreift, aber auch wirtschaftliche Risiken beinhaltet? Klar war auf der Konferenz, dass die traditionellen Methoden, die umliegenden Kulturlandschaften zu entwicklen, nicht genügen. Naturgewinnung, Tourismus, Projekte auf begehbaren alten Förderbrücken oder die klassische Kampagne „Kulturland Brandenburg“, die mit Programmen etwa zum Preußenjahr (2001) oder „Landschaft und Gärten“ (2004) und dezentralen Kunstprojekten in noblen Spielstätten auftrumpfen, reichen nicht.

Inwertsetzung bedeutet Steigerung, ja Ökonomisierung der Kulturlandschaft, merkte ein Zuhörer an. Dem war der Beitrag „Energielandschaften und nachwachsende Rohstoffe“ der Chemikerin Birgit Kamm vorausgegangen. Sie erwähnte darin Biomassen-Fabriken als Zukunftsbild für neue Energien und Arbeitsplätze. „Energielandschaft“ war die ehemalige Bergbau-Kulturlandschaft samt 120.000 Arbeitsplätzen schon einmal. Öko-Energielandschaft wäre ihre Inwertsetzung.

ROLF LAUTENSCHLÄGER