Handschellen in Rosa

Eine Fortbildung soll Bremer PolizistInnen helfen, ihren Umgang mit afrikanischen MigrantInnen zu verbessern

Mehr Kenntnis über das Leben der Migranten = friedlichere Polizisten

Bremen taz ■ Wenn Manuel Fragoso morgens mit dem Auto zur Arbeit fährt, wird er von der Polizei kontrolliert. Wenn er durch die Stadt radelt, wird er kontrolliert. Und auch wenn er am Sielwall vorbeischlendert, fragen Polizisten nach seinen Papieren. „Ich lebe seit 18 Jahren in Deutschland – und werde permanent kontrolliert, nur weil meine Hautfarbe dunkel ist“, sagt der Angolaner. „Was glauben Sie, wie wütend ich an manchen Tagen bin! Verstehen Sie das?“ fragt er Polizeipräsident Eckard Mordhorst, der vorne auf dem Podium sitzt. Der nickt, ja, das versteht er.

Und weil er das Problem versteht, hat Mordhorst für seine PolizistInnen eine Fortbildung initiiert, zum Verhältnis zwischen Polizei und afrikanischen MigrantInnen, gemeinsam mit der Migrationsbeauftragten Dagmar Lill. Es ist ein zweitägiges Seminar, das in dieser Woche erstmals stattfand – und der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Anlass der Fortbildung: Viele afrikanische MigrantInnen hätten schlechte Erfahrungen mit der Polizei, so Lill. Vor allem der massive Polizeieinsatz bei einem nigerianischen Verein in der Neustadt Ende 2002 sei auf große Kritik gestoßen. Vereinsmitglieder wurden von einer Hundertschaft festgenommen und gefesselt – ohne dass hinterher Beweismittel gefunden wurden. PolizistInnen wiederum beklagen aggressive Reaktionen der MigrantInnen. So habe man sich zusammengesetzt, ein Ergebnis sei diese Fortbildung, sagt Lill.

„Afrikanische Strukturen und Mentalitäten“ heißt das Seminar, doch der Titel ist nicht Programm. „Es geht weniger darum, nach angebliche Eigenschaften von ’den Afrikanern’ zu suchen, als zu fragen, in welcher Situation die Migranten leben“, so Lill. Die PolizistInnen sollen verstehen, dass viele Flüchtlinge traumatisiert sind, dass viele negative Erfahrungen mit der Polizei in ihrer Heimat gemacht haben – und auch hier. „Wenn sie sich beispielsweise auf der Wache ausziehen und übergeben müssen, weil die Polizei vermutet, sie seien Drogendealer“, sagt Lill. Richtig sei zwar, dass der Kokainhandel von AfrikanerInnen dominiert würde. Das sei aber eine kleine Minderheit. In Bremen leben rund 5.000 afrikanische EinwanderInnen, maximal acht Prozent davon würden straffällig.

Das Wissen um das Leben der MigrantInnen soll den Stress bei Einsätzen vermindern und die PolizistInnen friedlicher machen, so das Konzept. Geleitet wird das Seminar von zwei Afrikanologinnen aus Hamburg – Norddeutsche erklären Norddeutschen Afrika. Wenn MigrantInnen selbst die Seminare leiteten, gäbe es oft Probleme, erklärt Lill. Die Polizisten übertrügen ihren Ärger aus der täglichen Arbeit auf die ReferentInnen. Jetzt ginge es ja zunächst um eine Einführung – die konkrete Zusammenarbeit zwischen Revieren und MigrantInnen müsse der nächste Schritt sein.

Dazu soll sich ein Rat der afrikanischen MigrantInnen bilden, als Ansprechpartner für die Polizei. Noch existiert er nicht, es gibt Diskussionen innerhalb der afrikanischen Community, man möchte keine Alibi-Funktion haben. „Was bringt es zu sagen: Seit doch mal ein bisschen netter – sind die Handschellen dann künftig rosa?“ fragt Fragoso. Seiner Meinung nach müssten sich rechtliche Grundlagen und gesellschaftliche Strukturen verändern. Alle AsylbewerberInnen müssten arbeiten dürfen, damit sie nicht dealen, die Polizei müsse mehr AfrikanerInnen einstellen und dürfe nicht einfach auf Verdacht kontrollieren – dafür müsste es eine rechtliche Grundlage geben. Sonst würdedie Praxis, Menschen wegen ihrer Hautfarbe zu kontrollieren, zwar freundlicher, aber nicht seltener, so Fragoso. Dorothea Siegle