Merkel schafft sie alle

Horst Seehofer tritt als Vizechef der Bundestagsfraktion zurück, nach massiver Kritik aus der CDU. Merkels Machtwort: Seehofer steht nicht mehr für Gesundheit- und Sozialpolitik der Union

BERLIN taz ■ Die Reihen lichten sich um Angela Merkel: Die CDU-Fraktionschefin im Bundestag hat gestern zum zweiten Mal binnen weniger Wochen einen Stellvertreter – und Kritiker – verloren. Nach dem „Superexperten“ für Wirtschaft und Finanzen, Friedrich Merz (CDU), warf gestern Gesundheitsfachmann Horst Seehofer (CSU) sein Amt als Fraktionsvize hin. Damit steht Merkel zwar unangefochtener denn je da, aber auch einsamer: Ihre Macht wächst, die versammelte Kompetenz in der Unionsspitze sinkt.

Seehofer begründete seinen Rücktritt in Berlin damit, dass er „auch nach langen Tagen der Überlegung“ den Kompromiss zwischen Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber über eine Kopfpauschale nicht mittragen könne. „Schön ist so was nicht“, sagte der 55-Jährige über seinen Schritt, „das ist eine Zäsur im Leben, aber ich bin auch froh.“ Nach einer fast tödlich verlaufenen Herzmuskelentzündung vor knapp drei Jahren hatte der Gesundheitsminister unter Kanzler Kohl in verschiedenen Interviews den Anspruch formuliert, seine Überzeugungen nicht hinter Parteitaktik zurückzustellen. Entsprechend kritisierte er auch gestern, der Unionskompromiss sei bürokratisch, nicht seriös finanziert und sozial ungerecht.

Seehofers Abschied markiert das Ende eines monatelangen Streits um den Kurs der Union in der Gesundheitspolitik. Nach der Einigung zwischen Merkel und Stoiber hatten übers Wochenende führende CDU-Politiker von Seehofer gefordert, die Zuständigkeit für die Gesundheits- und Sozialpolitik abzugeben. Seehofer hatte nach einem Gespräch mit Stoiber jedoch darauf gesetzt, weiter Fraktionsvize für Sozialpolitik zu bleiben, ohne den Gesundheitsbereich.

Merkel machte gestern klar, dass sie Seehofer diesen Weg in internen Gesprächen verwehrt hatte. Sie habe deutlich gemacht, dass sie eine Trennung der Bereiche „nicht für gangbar halte“, sagte die CDU-Chefin und verwies zur Begründung auf das Ministerium von Ulla Schmidt (SPD), das für Gesundheit wie Soziales zuständig sei. Eine persönliche Schuld an Seehofers Rücktritt bestritt Merkel: „Alles andere ist seine Entscheidung.“

Auch die CSU-Spitze ging gestern auf Distanz zu ihrem Vizechef. Seehofers Verhalten habe „bis weit in die CSU-Landesgruppe hinein“ für Verärgerung gesorgt. Nach seiner fortdauernden Kritik am Gesundheitskompromiss habe es geheißen: „Warum sollen wir ihm am Montag brücken bauen, wenn er uns das ganze Wochenende aus vollen Rohren attackiert?“ Seehofer will aber Vizechef der CSU bleiben.

PATRIK SCHWARZ

brennpunkt Seite 3