Der große Fall der T-Volksaktie

Heute beginnt in Frankfurt einer der größten Zivilprozesse Deutschlands: 16.000 Aktionäre ziehen gegen die Telekom vor Gericht – und fordern ihr Geld zurück. Denn die einst so beliebte rosa Aktie ist mittlerweile höchstens noch die Hälfte wert

VON HERMANNUS PFEIFFER

Der Fall der T-Aktie hat ein gerichtliches Nachspiel. Rund 16.000 T-Aktionäre klagen die Deutsche Telekom an, ihre Aktien vor acht Jahren zu einem überhöhten Preis aufs Börsenparkett geworfen zu haben. Heute beginnt der spektakuläre Anleger-Prozess im Saal 165 C des Frankfurter Landgerichts.

1996 schwebte ein ganzes Land im Börsenrausch. Millionen unerfahrener Sparer glaubten damals den flotten Fernsehspots, mit denen Ex-DDR-Schauspieler Manfred Krug („Tatort“) allabendlich für den Kauf der Aktie der Deutschen Telekom AG warb. Kommissar Krug war erfolgreich: 714 Millionen T-Aktien wurden verscherbelt, 40 Prozent davon an Kleinanleger. Auch die Finanzwelt ließ sich nicht lumpen und pries die T-Aktie gnadenlos der eigenen Amateur-Kundschaft an. Den Banken brachte der Ansturm der angehenden T-Volksaktionäre dicke Provisionen ein, der Telekom zehn Milliarden Euro.

Im November 1996 wurde so auch im neuen Deutschland die Ära der Volksaktie eingeläutet. Den Anfang im Westen hatte einst der Stahlkonzern Preussag gemacht, bereits 1959 verkauft die „Preußische Bergwerks- und Hütten AG“ die ersten Volksaktien. Während der Zeichnungsfrist gab es einen Run auf die Staats-Aktien, Zeitungen schwärmten von einem „Sieg der Volksaktie“. Aus dem Stahlunternehmen von einst ist heute einer der weltgrößten Touristikkonzerne geworden – TUI. 1961 emittiert VW die zweite Volksaktie. Dem anfänglichen Rausch – der Kurs stieg zeitweise um 300 Prozent – folgte auch hier der Kater, jahrelang dümpelte die Volkswagen-Aktie lahm vor sich hin und auch Preussag-TUI wurde nie ein echter Börsenhit.

Drei Jahrzehnte später lassen sich mehr als drei Millionen Bundesbürger bei der Telekom vormerken, aber nur jeder Dritte erhält tatsächlich T-Aktien zum Ausgabepreis von 28 DM (14,32 Euro) – Mindestabnahme immerhin 100 Stück. Heute liegt der Kurs nur um einen mageren Euro darüber. Es kam noch dicker für kleine und große Investoren. Zum finanziellen Desaster wurde die T-Aktie durch zwei weitere Börsengänge in den Jahren 1999 und 2000, die dem früheren Staatskonzern zusätzlich 25 Milliarden Euro einbrachten. Diese zweite und dritte T-Aktie kommt den Krauses und Krupps heute immer noch richtig teuer, jedenfalls rechnerisch: Der Ausgabepreis lag bei umgerechnet 39,40 Euro und 66,50 Euro, der aktuelle Kurs unter 16 Euro beträgt jedoch nur noch die Hälfte oder ein Viertel dessen, was einst dafür bezahlt werden musste.

Der bis 2002 schillernde Telekom-Boss Ron Sommer trägt keine Schuld am internationalen Börsenkrach und auch nicht an der Totalflaute in der globalen Telekommunikationsbranche, aber Kritiker werfen ihm vor, die vielen Milliarden plus einen Schuldenberg leichtfertig verpulvert zu haben – in gescheiterte Auslandsabenteuer, in nutzlose UMTS-Lizenzen und in teure, aber erfolglose Firmenkäufe. Von 230.000 Arbeitsplätzen vor dem Börsengang ist nur die Hälfte übrig. Auch Sommer ging – mit einem goldenen Handschlag im Wert von 11,6 Millionen Euro.

Der Frankfurter T-Prozess dreht sich allerdings ab heute um profane Profite, die ausblieben. Die Kläger werfen der Telekom vor, die Immobilien ihres Konzerns viel zu hoch bewertet und damit die Aktien unterm Strich zu teuer angeboten zu haben. Alles in allem stehen rund 2.200 einzelne Klageschriften von 16.000 Aktionären zur Verhandlung an. „Wir messen den anstehenden Verfahren“, sagt Klägeranwalt Peter Gundermann, „allergrößte Bedeutung für ein Wiedererlangen des Anlegervertrauens in den Finanzplatz Deutschland zu.“ Schließlich hätte kein deutscher Börsenskandal international so viel Aufsehen erregt wie dieser rund um die Volksaktie, sagt Gundermann, der allein ein paar hundert T-Aktionäre vertritt.