Poetischer Realismus

Das erste iranische Filmfest in Köln zeigt in sechs Tagen 70 Filme, die das Stereotyp vom muslimischen Staat irritieren

Vogelscheuchen, die auf Bauern schießen, aufgemotzte Autos mit Technomusik auf den Straßen Teherans und alte Männer, die Kaffeeautomaten ihre Lebensgeschichte erzählen – für derlei Überraschungen sorgt die Iranische Filmwoche „Heimatplanet“, die vom 25. bis 30.11. zum ersten Mal in Köln stattfindet.

Veranstaltet wird das Festival von „Orient.Okzident.Kunst.Kultur.Dialog.Köln.e.V.“ (OOKKDK) und dem Filmhaus. Unterstützt wird es vom Referat für interkulturelle Kunstprojekte der Stadt Köln. An den sechs Tagen werden in 20 Programmblöcken rund 70 Spiel-, Kurz-, Experimental- und Dokumentarfilme gezeigt. Einige junge Protagonisten der sehr lebhaften iranischen Arthouse-Filmszene sind anwesend.

Dass es im Iran selber neben Mainstream-Blockbustern auch ein iranisches Kunst-Kino gibt, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Der Name Makhmalbaf war nur allzu oft in den letzten Jahren auch in den Programmen deutscher Kinos anzutreffen. Mohsen Makhmalbaf, der in Teheran das Makhmalbaf-Filmhouse gründete, hat zusammen mit seiner Familie inzwischen mit einem bildgewaltigen, poetischen Realismus fast ein Monopol auf die in Europa sichtbaren Filmbilder aus dem Iran.

Abbas Kiarostami ist der zweite iranische Altmeister, der sich mit seinem letzten Werk „Ten“ weitgehend von einer hermetischen, existenzialistischen Bildsprache verabschiedet hat und in die Urbanität der Gegenwart vorgedrungen ist. Im Gegensatz zum Makhmalbaf-Clan, dessen Einfluss bei diesem Festival kaum zu spüren ist, ist Kiarostami ein Bezugspunkt. Nicht nur dessen Sohn Bahman Kiarostami ist mit dem Dokumentarfilm „Ungläubige“ über „Zigeuner“ im Iran auf dem Festival vertreten (27.11., 17.45 Uhr). Auch der Eröffnungsfilm des Festivals, „Helle Nächte“ von Farzd Mo Tamen, lässt an Kiarostami denken. Dort trifft ein zurückgezogen lebender Universitätsprofessor auf eine junge Frau, die nach einem Jahr der Trennung ihren Liebhaber wiedersehen will – ein kühl inszenierter Dialogfilm, frei nach „Weiße Nächte“ von Dostojewskij. Die Hauptdarstellerin Hanieh Tavassoli ist bei der Vorführung am 25.11., 20.15 Uhr, anwesend.

Näher am pulsierenden Großstadtleben sind die meisten der Kurzfilme. „Die kalte Stadt“ und „Ctrl + Alt + del“ porträtieren das unpersönliche Leben im modernen Teheran (26.11., 17.45 Uhr). „Die Liebenden: Die Opfer“ ist eine Dokumentation über den dortigen Umgang mit Aids (26.11., 17.45 Uhr) und „Verweigerung“ berichtet über Underground-Rock in Teheran (28.11, 20.30 Uhr). Sicherlich alles Filme, die das westeuropäische Bild des muslimischen Staates irritieren und kritische, nicht aber stereotype Bilder des Iran zeigen.

Neben den Filmen aus dem Iran sind auch Filme von Exil-Iranern aus Europa zu sehen. Das überrascht wenig, denn die Generalorganisation des Festivals hat in enger Zusammenarbeit mit iranischen Kollegen und dem Filmhaus Rahim Fathi-Baran übernommen, der seit fast zwanzig Jahren hier lebt und Begründer des OOKKDK ist. Von in Deutschland lebenden iranischen Filmschaffenden hörte man seit den großartigen Filmen des 1998 verstorbenen Sohrab Shadhid Saless („Utopia“) allerdings wenig. Hier ist mit „Die Vogelscheuche“ ein Beitrag des in Deutschland lebenden Shshpour Shabazi zu sehen. Der Kurzfilm zeigt frei nach dem Spruch „Die Revolution frisst ihre Kinder“, wie sich die eigenen Ideen gegen ihren Urheber wenden können. Auch hier sind symbolhafte Kommentare zur iranischen Politik und Gesellschaft allgegenwärtig. Christian Meyer

„Heimatplanet“ – Iranische Filmwoche, 25.-30. November, Filmhaus Köln, Maybachstr. 111 www.koelner-filmhaus.de