Stopp, Trabi, stopp!

RTL setzt mit „Crazy Race II“ einen Film gegen die Wand (So., 20.15 Uhr). Das ist nichts Neues – nur warum muss das jetzt in der DDR spielen?

VON ANJA MAIER
UND HANNAH PILARCZYK

Schalten Sie weiter! Hier gibt es nichts zu sehen. Denn etwas Armseligeres als „Crazy Race II – Warum die Mauer wirklich fiel“ hat lange keinen deutschen Fernsehbildschirm erhellt. RTL schickt am Sonntagabend all seine semiprominenten Kostgänger zur besten Sendezeit über den Schirm. Mit ihnen wurde eine „verrückte Ost-Rallye“ (Pressetext) gedreht, „bei der am Ende tatsächlich die Mauer fällt“. Und weil Nasen wie Ingrid „Klimbim“ Steeger, Wolke „Grimasse“ Hegenbarth, Michaela „Gina“ Schaffrath oder Ottfried „die Maske“ Fischer offenbar nur im April und Mai für Dreharbeiten zu haben waren, spielen die Tage im November 89 vor saftigen Wiesen, rauschen die Autos über wunderbar grüne Alleen. Wir lernen: Im Osten hatte also sogar das Wetter Weltniveau.

Über den Plot, in dem sehr viele Trabis zu Pappe gefahren werden, sollen nur wenige Worte verloren werden: Boy (Ost) meets girl (West), auf ihren Fersen: Kopfgeldjäger (Ostwest), weil Papa eine Million (West) auf Tochters Kopf ausgesetzt hat. Außerdem unterwegs: die Genossen der Deutschen Volkspolizei sowie die Stasi (Katy „Frauenknast“ Karrenbauer). Ach so, und am Ende fällt die Mauer.

Um recht verstanden zu werden: Über den Mauerfall können nicht genug Zoten gerissen werden, von der Aura dieses Ereignisses sollte so viel Schmelz wie möglich abgespachtelt werden. Aber dies hier? Wie gesagt: armselig. Deshalb im Folgenden ein Bruch mit den Korrekturregeln dieser Zeitung: der Regisseur CHRISTOPH SCHREWE wird in diesem Text groß geschrieben, ebenso die Drehbuchautoren PHILIPP WEINGES und GÜNTER KNARR. Damit später kein Fernsehverantwortlicher sagen kann, nicht gewarnt worden zu sein.

Aber eigentlich waren wir ja schon länger vor DDRTL gewarnt. Mit der „DDR Show“, moderiert von den schrecklich-schönsten Gesichtern des Ostens (Kati Witt) und des Westens (Oliver Geißen), hatte sich RTL schon einmal unangenehm-unangemessen ostalgisch hervor getan. Doch das war auf dem Höhepunkt der Ost-Verklärung, da war das halbe Fernsehen Rotkäppchen-Sekt-trunken. Dieser Rausch ist abgeklungen. Im Jubiläumsjahr 15 nach dem Mauerfall bestimmen anspruchsvolle Filme und Dokumentationen (u. a. „Damals in der DDR“, Mo 21.45 Uhr, ARD) das Programm. Nur RTL haut mit „Meine schönsten Jahre“ wieder in dieselbe geschichtsklitterische Kerbe. Die „schönsten Jahre“ umfassen eine Jugend im Ostberlin der 80er-Jahre – weshalb sich rückblickend Protagonist Karl Treschanke (Christoph E. Oehme) fragt: „Als wäre es nicht schon schwer genug gewesen, ein 13-jähriger Junge zu sein, mit Pubertät, Schule, Eltern, Geschwistern … musste ich es auch noch in der DDR sein?“ Für „Crazy Race II“ muss man entsprechend fragen: Als wäre es nicht schon schwer genug, einen halbwegs akzeptablen Film mit Dirk Bach und Otto Waalkes zu drehen … musste das auch noch in der DDR sein?

„Crazy Race II“ ist eine der ganz wenigen Produktionen, wo man sich bei Ansicht des Produkts fragt, wie viel bares Geld die Darsteller bezogen haben und wie bindend ihre laufenden Verträge sein müssen, um hier mitgetan zu haben (der Bild-Lektüre-Reflex). Die nächste zwingende Frage bezieht sich auf den Titel. „Crazy Race II“ hatte vor anderthalb Jahren einen Vorgänger – was haben beide Produktionen gemein? In „Crazy Race“ wurden seinerzeit Westautos zerlegt. Das kostete RTL 3,5 Millionen Euro und hatte eine Quote von 17,5 Prozent. Dafür kann es auch bei längerem Nachdenken nur eine Erklärung geben: Es muss an jenem 23. März 2003 sehr schlechtes Wetter gewesen sein.