Die neuen Löwen sind jung und hungrig

Die Frankfurter Eishockey-Cracks waren letzte Saison fast schon abgestiegen, nun stehen sie auf dem zweiten Rang

FRANKFURT taz ■ „Stick to stick – bum, bum, bum – goal.“ Die Frage, wie man ein Überzahlspiel konsequent nutzt, erklärte Lions-Trainer Rich Chernomaz überzeugend im kleinen Kreis – nach dem Spiel. Nicht ganz so geschickt hatten sich seine Jungs zuvor auf dem Eis angestellt. Gleich fünfmal bot sich die Chance, mit fünf gegen drei zum Torerfolg zu kommen, doch sie schafften es in keiner dieser Phasen, den Eisbären-Wall aus Berlin vor Torwart Rich Parent zu überwinden. „Nicht normal“, meinte Chernomaz lapidar und wusste auch, warum: „Wir haben zu langsam gespielt.“

Trotz der 2:3-Niederlage der Frankfurter war der Trainer insgesamt zufrieden mit seinem Team. Schließlich war das Spitzenspiel gegen die Eisbären der vierte Löwenauftritt binnen sieben Tagen, und immerhin drei davon hatten sie gewonnen, gerade erst am Donnerstag das wichtige Hessen-Derby gegen die Kassel Huskies mit 7:5.

Angesichts dieser hohen Belastung in enger Folge hatten die Leistungen am Samstag nicht immer Spitzenspielcharakter. Vor allem im zweiten Drittel war den Löwen Substanzverlust anzumerken. Die routinierteren Eisbären – erst am Freitag hatten sie Düsseldorf mit 5:2 geschlagen – waren durch Beaufait (10.) früh in Führung gegangen, hatten durch Shearer (29.) nachgelegt und dank Pederson (41.) sogar das 3:0 erzielt. Lebeau (43.) und Belanger (52.) schafften trotz aller Bemühungen nur noch die Anschlusstreffer. „Wir haben das Spiel nicht aufgegeben, darauf bin ich stolz. Aber wir haben verloren, weil unser Gegner etwas besser war als wir“, analysierte Chernomaz. Schon das Hinspiel hatten die Berliner 3:1 gewonnen.

Doch auch so sind die Frankfurter Löwen die Sensation dieser Spielzeit. Dass sie nach 26 Vorrundenspielen auf dem zweiten Platz der Tabelle liegen, war vor der Saison beim besten Willen nicht zu erwarten. Seit drei Jahren hatten sie keine Play-offs mehr erreicht, und im Vorjahr waren sie nach den Niederlagen gegen Schwenningen in den Play-downs sportlich sogar abgestiegen. Nur der finanzielle Flügelbruch der Wild Wings hielt die Lions in der Liga.

Mit konsequenter Personalrotation und einer neuen Philosophie begann in diesem Herbst die Wiedergeburt. Der einstige Mannheimer Erfolgs-Coach Lance Nethery wechselte vom Trainer- auf den Managerposten und positionierte den früheren Kölner Meistermacher Rich Chernomaz auf der Trainerbank. Statt abgehalfterter NHL-Cracks bilden nun erfolgshungrige Teamplayer die Mannschaft. Nur vier Spieler blieben im Kader, gleich 17 neue wurden integriert. Immerhin zehn Deutsche stehen nun auf dem Eis, der Altersschnitt liegt gerade mal bei 25 Jahren.

Das Risiko zahlte sich aus, zumal eine Siegesserie zu Beginn der Saison die Mannschaft zusammenschweißte. Die Löwen haben den erfolgreichsten Sturm der Liga, und der Publikumszuspruch erinnert wieder an die erfolgreichen späten 90er-Jahre. Am Samstag füllten 7.000 Zuschauer die ausverkaufte Eissporthalle am Frankfurter Ratsweg. Für Vereinseigentümer Gerd Schröder freilich nicht genug. Der Immobilienmakler fordert seit Jahren eine Multifunktionssporthalle für die Bankenmetropole und droht immer mal wieder, den Löwenkäfig ansonsten dichtzumachen.

Einstweilen stehen die Frankfurter mit 50 Punkten aus 26 Spielen auf dem zweiten Platz und streben mit Macht Richtung Play-off-Runde. „Unter den ersten vier landen“, gibt der Löwen-Bändiger an der Bande als Ziel aus, dann hat man im Viertelfinale ein Heimspiel mehr. Mehr aber auch nicht: Zu den Absurditäten der DEL gehört es, dass 52 Vorrundenspiele letztlich nur dazu dienen, acht Play-off-Teilnehmer auszuspielen, ehe bei null begonnen wird. Beispiel Berlin: Die Eisbären waren vergangenes Jahr auch Vorrundensieger, deutscher Meister wurden freilich die Krefelder Pinguine, die von Platz sechs in die Play-offs starteten. Von der Zwischenbilanz lässt sich Chernomaz deshalb nicht blenden: „Wichtig für mich ist der Prozess, den ich erkenne: Die Jungs sind dabei, bessere Eishockeyspieler zu werden.“ Auch wenn’s nicht immer mit dem Überzahlspiel klappt.

ACHIM DREIS