Santa Claus gegen Ussama Bin Laden

Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all!: Darius James, der in Berlin lebende Jimi Hendrix der satirischen Literatur, hat mit „Froggie Chocolates Weihnachtsabend“ eine groteske und erhellende Weihnachtsgeschichte verfasst

Kinder, Weihnachten steht vor der Tür. Hallo Kinder? Wisst ihr noch, im letzten Jahr? In den Kaufhäusern stehen wattierte Tannen und auf allen Kanälen laufen Jahresrückblicke, die aussehen wie indizierte Videos mit Namen wie „Die besten Katastrophen 2003“. Es ist wieder soweit: Weihnachtsmuzak und Kinohits für die ganze Familie, verdammt! Auf geht’s, Zeit für den Showdown, Film ab.

Oder nein, einen Moment noch! Wenn das die Realität ist, wenn es stimmt, das Arnold Schwarzenegger Kalifornien regiert und CNN eine Rohfassung des nächsten Hollywood-Blockbusters – der, in dem die US-Bürgerin aus den Klauen der Barbaren gerettet wird – mit Laiendarstellern in einem irakischen Hospital abgefilmt hat, wenn also ohnehin schon alles passiert, was einem Satiriker einfallen könnte, was bleibt dem dann noch zu tun?

Nun, er kann den feinsinnig-gewitzten Anwalt der Besseren Menschen geben und sich mit nuancierter Stimme für höhere Aufgaben empfehlen – Jahresrückblicke gibt es immer wieder. Er kann auch gnadenlos populistisch vorgehen und gleich selbst zur vorweihnachtlichen Attraktion aufsteigen, wie das ein bärtiger Selfmade-Man mit Baseballkappe gerade lehrbuchhaft vorführt. Oder er kann aus den realsatirischen Versatzstücken fette Riffs komponieren, um sie uns um die Ohren zu hauen. Dazu braucht es allerdings einen, der seine Schwerter beidseitig zu schmieden weiß – keinen Besserwisser, sondern einen listigen Tänzer auf schlüpfrigem sprachlichem Parketts. Und genau so einen, das trifft sich gut für alle, die lieber selber denken, haben wir hier in Berlin: Darius James, den Jimi Hendrix der satirischen Literatur, einen wahren Bohemien und funkadelischen Komödianten vor dem Herrn.

Sein letztjähriges Buch hieß „Voodoo Stew“ und begann mit einem Jambalaya-Rezept, und viel mehr muss man zu seiner Methode gar nicht sagen: alles in einen Topf, köcheln lassen, gut würzen – und dann muss man noch die richtigen Zaubersprüche kennen, die lehrt einen die Tradition. Seit seinem legendären Debütroman „Negrophobia“ ist Darius James als meisterhafter Alchimist und Enfant terrible der afroamerikanischen Literatur bekannt, nur leider viel zu wenigen. Jetzt gibt es etwas Neues von ihm, und der Jahreszeit gemäß ist es eine Weihnachtsgeschichte: Es begab sich also, am Heiligen Abend, in einer festlich geschmückten Mall im neuen christlichen Abendland (born again), dass der neunjährige Froggie mit seinem Großvater aus dem Kino kam, wo sie den Kassenschlager der Festtage sahen. Doch während Grandpa mit leuchtenden Augen in der Erinnerung an die besten Szenen schwelgte, dachte Froggie mit Grauen zurück …

Jetzt also endlich, Film ab: Weihnachten und die christliche Welt sind in Gefahr: die Araber! Der Präsident schickt den Weihnachtsmann als Abgesandten des American Way of Life in die Wüste, wo es zum „Showdown im Sand“ kommt: Santa gegen Ussama. Ussama ist gemeiner, doch der Weihnachtsmann, fast schon besiegt, erweist sich als Patriot – Blut spritzt, Ussama ist entmannt, Happy End! Froggie ist entsetzt – was ist aus dem Jugendschutz geworden? Und was hat dieser Schwachsinn mit dem Heiligen Fest zu tun? Zum Glück ahnt er nicht, was ihm in der Weihnachtsnacht noch so alles bevorsteht.

„Froggie Chocolates Weihnachtsabend“ ist grotesk und erhellend, eine funky Freakshow voller Märchenfiguren, Popmythen, Politikern und ganz normalen Irren. Das Büchlein erscheint dieser Tage beim Verbrecher Verlag in einer sehr hübschen Ausgabe im Postkartenformat, liebevoll illustriert von Angie Reed und garantiert besser als jeder Jahresrückblick im Fernsehen. So gehet denn hin, Kinder, und höret selbst! KARSTEN KREDEL

Darius James: „Froggie Chocolates Weihnachtsabend“. Aus dem Englischen von Claudia Basrwai. Verbrecher Verlag, Berlin 2003, 8 €.Buchpremiere am Sonntag, 30. 11., 23 Uhr, Bastard im Prater, Kastanienallee 7–9, Prenzlauer Berg. Anschließend Konzert von Electrocute