Den Blick wieder schärfen

Mehr als zwei Drittel aller Deutschen brauchen früher oder später eine Sehhilfe. Die einen greifen zur Brille, die anderen zu Kontaktlinsen. Viele lassen sich die Augen mittels Lasertechnik korrigieren

von ANDREAS LOHSE

Die Brille – der Albtraum eines Kindes. In der Schule werden sie gehänselt, empfinden das Ding als in jedweder Hinsicht einschränkend, und die Eltern müssen auf Schritt und Tritt darüber wachen, dass der Sprössling das Gestell auch ja immer trägt und nicht etwa beiläufig „vergisst“. Denn meist hilft sie, etwaige Fehlsichtigkeit zu korrigieren und gleichsam den richtigen Blickwinkel zu lehren.

Doch das Grauen aus der Kindheit hat in späteren Jahren offenbar seinen Schrecken verloren: Immerhin „63 Prozent der Deutschen stehen heute zu ihrer Brille“, weiß Vera Herbst, Autorin des Buches „Besser sehen“. Kein Wunder, wandelte sich doch der einst unansehnliche Sehbehelf mit unsäglich dicken Gläsern in ein schickes Accessoire, das man nicht mehr verstecken muss, sondern das kleidsam und modisch das Naturell ergänzen kann. Immerhin 70 Prozent der Menschen tragen hierzulande „zu irgendeiner Zeit ihres Lebens eine Brille“.

Wessen Auge nicht chronisch erkrankt oder sonstwie beeinträchtigt ist, der kann Kurz- und Weitsichtigkeit in den meisten Fällen auch durch Kontaktlinsen korrigieren. Sie sind weitgehend unsichtbar, ermöglichen große Bewegungsfreiheit, sind allerdings sehr pflegeintensiv. Was mit Kontaktlinsen machbar ist, werde nur teilweise von den Linsen und den individuellen Bedingungen des Trägers bestimmt, heißt es in dem Ratgeber: „Ganz entscheidend ist die Kompetenz desjenigen, der die Linsen anpasst“, so die Autorin. Problematisch seien sie etwa vor allem bei Diabetikern: Bei ihnen sei häufig die Tränenflüssigkeit verändert, was die Wundheilung verzögere. „Kleine Verletzungen der Hornhaut, wie sie bei den Manipulationen mit Kontaktlinsen leicht vorkommen, heilen dann schlecht.“ Auch bei Allergien gegen die Materialien oder dann, wenn sich der Träger oft in staubiger sowie mit gasförmigen Chemikalien belasteter Luft aufhalte, können sich Kontaklinsen verbieten.

Trotz aller Fortschritte in Sachen Material und Tragekomfort bei Brillen und Kontaklinsen nimmt die Zahl derer zu, die ihre Fehlsichtigkeit nicht mit mechanischen Instrumenten korrigieren wollen. Sie wählen einen noch ganz anderen Weg: die Operation. Das Verfahren der Laserchirurgie verspricht immerhin, jegliche Sehhilfe dauerhaft überflüssig zu machen, gleichsam als „visuelle Befreiung“, wie es in dem Buch heißt.

Die Anfänge der heutigen verschiedenen Techniken, eine Schicht der Hornhaut chirurgisch zu bearbeiten, werden dabei in das Japan der 40er-Jahre datiert. In den 70ern dann entwickelte ein russischer Augenarzt die „erste und wirklich erfolgreiche chirurgische Korrekturmethode der Kurzsichtigkeit“. Jedoch dauerte es noch bis zum Ende des letzten Jahrhunderts, bis beispielsweise die so genannte Lasik-Methode Fuß fasste, die die Autorin Vera Herbst in ihrem Buch beschreibt: Hornhaut und Bindehaut würden medikamtentös betäubt, zwei Metallbügel ziehen Ober- und Unterlid auseinander, so dass das Operationsgebiet frei zugänglich sei. Mit einem computergesteuerten Minihobel werden Millimeterbruchteile der obersten Hornhautschicht aufgeschnitten und können weggeklappt werden. Daraufhin formt ein Laser die darunter liegende Schicht nach zuvor genau berechnetem Maß, bis die Fehlsichtigkeit korrigiert ist. Die zuvor beseitigte Hornhautlamelle wird wieder zurückgeklappt und angedrückt. Sie saugt sich, ohne genäht werden zu müssen, am Gewebe fest. „Alles in allem dauert die Operation etwa fünf bis zehn Minuten“, so Vera Herbst. Der Patient sei nur wenige Tage beeinträchtigt.

Diese Methode sei beispielsweise für die Korrektur einer Kurzsichtigkeit bis minus 10 Dioptrien, einer Weitsichtigkeit bis plus 3 Dioptrien sowie bei einer Hornhautverkrümmung bis 5 Dioptrien ein „wissenschaftlich anerkanntes Verfahren“. Gleichwohl könne es zu Komplikationen kommen, deren Rate zunehme, je ausgeprägter der zu korrigierende Sehfehler sei. Aber: „Wenn man voraussetzt, dass eine Fehlsichtigkeit von plus/minus 0,5 Dioptrien tolerabel ist und nicht ausgeglichen werden muss, erreichen 95 Prozent derjenigen, bei denen eine Kurzsichtigkeit zwischen minus 1 und plus 5 operiert wurde, ihr Ziel, ohne Brille auszukommen.“ Bei minus 5 bis plus 10 Dioptrien seien es 80 Prozent. Mittels einer zweiten Operation erhöhe sich in beiden Gruppen die Erfolgsquote auf 98 Prozent. In den USA etwa sei diese Lasik-Methode im Jahr 2000 mehr als eine Million Mal durchgeführt worden.

Zwar seien die unterschiedlichen, „refraktive Chirurgie“ genannten Methoden – neben Lasik gibt es weitere lasergestützte Anwendungen zur Korrektur von Fehlsichtigkeit – aus dem experimentellen Stadium heraus, so die Autorin. Doch mahnt sie gleichzeitig, sie nicht bereits als „allgemein anerkannte Heilverfahren“ zu bezeichnen. Dazu fehlten noch die Langzeitergebnisse. „Schließlich ist es bedeutsam, was nach 40 oder 50 Jahren aus Augen wird, die im Alter von 25 oder 30 Jahren operiert wurden.“

Zudem seien an einen Eingriff, für den es „keinen zwingenden medizinischen Grund“ gebe und der gesundes Körpergewebe ohne Not verletze, „erheblich höhere Ansprüche hinsichtlich Sicherheit und Erfolg“ zu stellen als an einen, der „unabdingbar notwendig ist“. Somit stelle diese Augenchirurgie „so etwas wie eine Schönheits- oder Lifestyle-Operation dar“, und die Entscheidung für einen solchen Eingriff „sollte wohl überlegt und gut geplant sein“.

(s. Buchtipp links oben auf dieser Seite)