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: Entwurf zeugt von kluger Zurückhaltung

Überflüssige Gesetze gibt es viele. Gelegentlich werden neue gemacht. Das ist politischer Alltag seit Bestehen der Bundesrepublik, in einem hoch differenzierten, komplexen System vermutlich sogar unvermeidlich. Allerdings kommt es nicht so häufig vor, dass ein Gesetz sowohl als unnötig wie auch als politisch gefährlich erscheint. Beides konnte bisher für die – parteiübergreifend als überfällig bezeichnete – Neuregelung der parlamentarischen Zustimmung zu Bundeswehreinsätzen gelten, kurz: für das so genannte Entsendegesetz. Zu befürchten stand, dass dies nur einen weiteren Schritt auf dem Weg in die Militarisierung der Außenpolitik bedeuten würde. Der rot-grüne Entwurf, der jetzt vorliegt, scheint jedoch eher in die Gegenrichtung zu weisen. Was für eine Überraschung.

Sollte der Entwurf tatsächlich Gesetz werden, würde sich nämlich nicht viel ändern: Nach wie vor hätten die Abgeordneten größeren Einsätzen der Armee zuzustimmen. Im Falle einer akuten Bedrohung müsste weiterhin der Bundestag wenigstens nachträglich sein Plazet erteilen, genauso wie bereits vor Jahren im Zusammenhang mit der Evakuierung von Zivilisten im albanischen Tirana. Lediglich bei „Einsätzen von geringer Bedeutung“ soll das parlamentarische Kontrollrecht auf ein Widerspruchsrecht reduziert werden. Was hat geringe Bedeutung? Dieser Entscheidung dürfte im Einzelfall hohe symbolische Bedeutung zukommen. Mehr aber auch nicht.

Wer Vertreter der rot-grünen Regierung seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Jugoslawien im Zusammenhang mit dem Kosovokonflikt nur für machtgeile Verräter hält, der wird ihnen kaum zutrauen, sich mit dem Bau eines Damms gegen Militarismus zu beschäftigen. Statt mit dessen Zerstörung. Dennoch erweckt der Gesetzentwurf genau diesen Eindruck – vor allem dann, wenn man sich vor Augen führt, was alles im Gespräch gewesen ist: beispielsweise die Reduktion des parlamentarischen Mitspracherechts auf die Zustimmung eines feinen, aber kleinen Ausschusses.

Gemessen daran ist der Entwurf, der jetzt vorliegt, Anlass zur Erleichterung. Er erschwert Auslandseinsätze der deutschen Armee nicht – aber er erleichtert sie wenigstens nicht. Wer meint, auch Militäreinsätze sollten sich künftig dem Diktat der größtmöglichen Effizienz unterwerfen, muss enttäuscht sein hinsichtlich dessen, worauf sich Rot-Grün verständigt hat. Es zeugt nicht gerade von Kriegeslust, sondern eher von kluger Zurückhaltung. Gut möglich, dass diese Zurückhaltung (auch) eine Folge des Irakkrieges ist. Dann hätte der doch wenigstens etwas Gutes gehabt. BETTINA GAUS

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