G-8-Staaten wollen Welthunger bekämpfen

AGRARPOLITIK In Italien beraten die Landwirtschaftsminister der G-8-Staaten über Strategien gegen die Lebensmittelkrise. Während sie als ein Gegenmittel über grüne Gentechnik diskutieren, verhärten sich die Fronten im Streit über das Genmais-Verbot in Deutschland

VON HEIKE HOLDINGHAUSEN

Angesichts rund einer Milliarde unterernährter Menschen weltweit wollen die sieben führenden Industrienationen und Russland (G 8) entschlossener gegen die Lebensmittelkrise angehen. Heute enden die dreitägigen Beratungen der G-8-Agrarminister im italienischen Cison di Valmarino darüber, wie die Versorgung mit Nahrung international gesichert werden, ob die Gentechnik hilft und wie sich extreme Preisschwankungen bei Lebensmitteln verhindern lassen.

Auch EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel reiste an. Vertreter der G-5-Schwellenländer und Ägyptens, Argentiniens und Australiens waren ebenfalls eingeladen. Experten fürchten, dass die Zahl der Hungernden wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise weiter steigen könnte.

Ziel der Ministerrunde ist es, zur Vorbereitung des G-8-Gipfels im Juli auf Sardinien ein Dokument zum Kampf gegen die weltweite Ernährungskrise zu erarbeiten. Die Entwicklungsorganisation Oxfam kritisierte im Vorfeld des Gipfels, dass aus den besonders betroffenen armen Ländern keine Vertreter eingeladen worden seien. Zudem sei die Steigerung der Lebensmittelproduktion zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Mittel, um den Hunger zu bekämpfen. Viele Menschen hungerten nicht, weil es zu wenig Essen gäbe, sondern weil sie zu wenig verdienten, um es zu kaufen.

Das „Humboldt Forum Food and Agriculture“, ein Think Tank zur Agrarpolitik, hingegen warnt, die Produktivität der Landwirtschaft sinke seit Jahren. Grund dafür sei, dass die Agrarforschung vernachlässigt werde, sagte der Berliner Agrarwissenschaftler Harald von Witzke in einem Appell an die G-8-Agrarminister. So sei auch das Verbot des Genmaises MON 810 von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) falsch. Damit schloss sich der Professor der Humboldt-Universität einer breiten Front aus Wissenschaftseinrichtungen an, die das Genmais-Verbot vergangene Woche verurteilt hatten. „Eine pauschale Ablehnung der grünen Gentechnik schadet nachhaltig dem Forschungsstandort Deutschland“, erklärten die Organisationen, darunter die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und die Hochschulrektorenkonferenz.Der vom Verbot betroffene Saatguthersteller Monsanto prüft unterdessen den Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), den die Behörde ihm und den Agrarministerien der Länder am Freitag zugestellt hat. Gegen den Bescheid werde das Unternehmen gegebenenfalls Widerspruch einlegen, sagte ein Unternehmenssprecher. Unterstützung bekommt Monsanto von Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). Dem Focus sagte sie, sie werde das „Verbot nicht einfach hinnehmen.“ In der EU-Kommission wird das Verbot der Bundesregierung derzeit ebenfalls geprüft. Erwartet wird ein ähnliches Verfahren wie bei Österreich und Ungarn. Die Kommission würde also nach einer Prüfung der Verbotsgründe durch die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa im Ministerrat beantragen, dass Deutschland das Verbot wieder aufheben muss. Damit war sie im Falle von Österreich und Ungarn allerdings gescheitert. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten lehnte den Vorstoß der Kommission ab. Perspektivisch könnten die Mitgliedstaaten die erst seit 2004 geltenden Zulassungsregeln ändern, und die Kompetenzen für die Erlaubnis oder das Verbot von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Mitgliedstaaten verlagern. Diesen Vorschlag hatten die Niederlande auf der EU-Agrarministerkonferenz Ende März in Brüssel eingebracht.