Gedrechselte Phrasen

Geschönt, geändert, verbummelt: Autorisierungen in der taz

BERLIN taz ■ Die taz hat schon mehrfach erfahren müssen, wie kreativ Politiker oder Funktionäre sein können, wenn sie das Erscheinen eines Interviews torpedieren wollen.

Eine Bundesministerin, der in der taz bescheinigt worden war, sie wandele auf den Spuren von Margot Honecker, strafte unser Blatt für die Sottise mit anderthalb Jahren „Liebesentzug“: Sie war für keinen taz-Redakteur mehr zu sprechen. Da aber Verweigerung ein zweischneidiges Schwert ist für jene, denen an Öffentlichkeit gelegen sein muss, beschränken sich die meisten auf die „Entschärfung“ von Aussagen, die ihnen nachträglich als zu heikel erscheinen.

So wollte ein Spitzenpolitiker einmal ein 300-Zeilen-Interview für unsere Bildungsseite nicht von seinem dafür zuständigen Pressesprecher redigieren lassen, sondern selbst Hand anlegen. Dafür setzte er sich in einen Hubschrauber, der allerdings erst nach unserem Redaktionsschluss zur Landung ansetzte – den der Politiker damit verbummelt hatte. Dass es auch ohne Helikopter geht, zeigte sich bei einem anderen Gespräch mit einem Oppositionspolitiker: „Noch so eine Frage, und ich breche das Gespräch ab“, beschied er unserem offenbar unbequemen Reporter. Oft werden Fragen und auch Antworten von den Gesprächspartnern so lange umgeschrieben, bis sie von einer Presseerklärung nicht mehr zu unterscheiden sind.

Nach einer populistischen Äußerung von Gerhard Schröder über Sexualstraftäter („wegschließen, und zwar für immer!“) sagte eine Kabinettskollegin im taz-Interview wörtlich: „Das war natürlich nicht sachlich fundiert.“ In der autorisierten Fassung sollte es dann heißen: „Ich teile die Einschätzung des Kanzlers.“ Was denn nun?

Noch schwerer wog da der Fall eines Gewerkschaftsvorsitzenden: Auf die einfache Frage, ob er denn die Mitgliederverluste habe stoppen können, gab er die einfache Antwort: „Nein, es geht weiter abwärts.“ Gedruckt mochte er diesen Satz aber nicht sehen, sondern lieber dessen exaktes Gegenteil, eine gedrechselte Phrase: „Wir haben seit März deutliche Mitgliederzugänge.“

Dabei ist es nicht etwa so, dass mit der Bedeutung des Amtes die Empfindlichkeit steigt. Joschka Fischer etwa, der Außenminister, teilt im Interview zwar gerne aus, steckt aber auch ein – und autorisiert am Ende alles, auch den Streit.

ARNO FRANK