Webpiraten hinter schwedischen Gardinen gespeichert

INTERNET Stockholmer Gericht verurteilt Filesharing-Seite Pirate Bay zu Gefängnis und Schadensersatz in Millionenhöhe. Die Verurteilten trotzen: „Uns wird nichts passieren.“ Der Fall dürfte über Jahre die schwedische und europäische Justiz beschäftigen

VON REINHARD WOLFF

STOCKHOLM | Ein Jahr Haft für alle vier Angeklagten und ein Schadensersatz in Höhe von umgerechnet rund 3,3 Millionen Euro. So lautete am gestrigen Freitag das Urteil des Amtsgerichts Stockholm im Prozess gegen die Gründer der Filesharing-Seite thepiratebay.org.

Das Gericht bejahte mit diesem Urteil die Frage, ob die Pirate-Bay-Macher sich der Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung schuldig gemacht haben: Sie hätten es zumindest billigend in Kauf genommen, dass eine unbegrenzte Zahl von InternetuserInnen mithilfe dieser von ihnen zur Verfügung gestellten Plattform unter Anwendung der BitTorrent-Technik urheberrechtlich geschütztes Material auf ihre eigenen Rechner herunterladen konnten.

Die auf Pirate Bay bereitgehaltenen „Wegweiser“ zu dem fraglichen Material, so das Gericht, seien ein Puzzleteil im Gesamtprozess der Verletzung von Urheberrecht, das nicht weggedacht werden könnte, ohne dass damit der Tatbestand einer Copyrightverletzung erfüllt worden wäre. Und die Aktivitäten von Pirate Bay hätten – da durch Reklame finanziert – auch einen kommerziellen Hintergrund gehabt.

Die Verurteilten nahmen das Urteil gelassen auf. „Nur die Ruhe: Pirate Bay und uns persönlich wird nichts passieren“, twitterte Pirate-Bay-Sprecher Peter Sunde unmittelbar nach dessen Bekanntgabe. „Selbstverständlich“, antwortete Gottfrid Swartholm Warg, einer der Angeklagten auf die Frage, ob man Berufung gegen diese Entscheidung einlegen werde. Und ironisch sprach er von „der Überraschung, die dieses Urteil wohl für den Staatsanwalt darstellt“. Dieser hatte nämlich ursprünglich eine Anklage abgelehnt, weil er an keine Chance für eine Verurteilung geglaubt hatte. Vermutlich wird der Rechtsstreit nun alle Instanzen der schwedischen Justiz beschäftigen, und auch ein Umweg über die EU scheint nicht ausgeschlossen – das kann sechs bis acht Jahre dauern.

Ludvig Werner, Vorsitzender der Musikbranchenvereinigung Ifpi Schweden, sprach von einem „positiven und grundsätzlich wichtigen“ Urteil. Henrik Pontén, Sprecher des schwedischen „Antipiratenbüros“, kommentierte: „Eine klare Markierung, dass das illegal ist, eine passende Strafe und ein deutliches Signal an alle, die Pirate Bay oder ähnliche Dienste benutzen.“

Eine erste Analyse zeigt eine deutliche Schwachstelle der jetzigen Entscheidung. So stellte das Schöffengericht vorwiegend auf die generellen Möglichkeiten von Pirate Bay für potenzielle Urheberrechtsverletzungen ab. Es machte sich aber nicht die Mühe, im Einzelnen zu beweisen, inwieweit bei den konkreten 33 Fällen von Urheberrechtsverletzung, um die es bei der Anklage ausschließlich ging, der BitTorrent-Tracker Pirate Bay technisch überhaupt eine Rolle gespielt hatte. Verwunderlich ist das allerdings nicht: Auch die Anklageschrift war trotz ihres Umfangs von 4.620 Seiten zu dieser Frage ausgesprochen dünn. „Das gibt eine schnelle Berufungsschrift“, kommentiert ein Verteidiger.

Das Gericht sprach überdies weniger als ein Drittel des von der Film-, Musik- und Computerspielbranche geforderten Schadensersatzes zu. Die Begründung: Man habe den Schaden geringer eingeschätzt.