KATHARINA GRANZIN CRIME SCENE
: Extrem harter Stoff

Da leben vier junge Menschen in Berlin, alle Ende zwanzig. Sie sind früher zusammen zur Schule gegangen, und es trifft sich nun, dass alle dasselbe Schicksal teilen: keine Arbeit, kein Geld. Da hat einer von ihnen, es ist der frisch entlassene Journalist, eine Geschäftsidee: Warum sollten sie nicht eine Agentur für Entschuldigungen gründen? Sie nennen sie „Sorry“. Im Auftrag von Leuten oder Unternehmen zu agieren, die ein Problem im Guten zum Verschwinden bringen wollen, ohne selbst damit in Berührung zu kommen, erweist sich als ungeahnt lukrativ.

Bis hierher hätte man der Geschichte fast arglos folgen können, wenn der Autor dies nicht von Beginn an zu verhindern gewusst hätte. Es muss gesagt werden: Der Roman beginnt mit einem besonders brutalen Mord. Die vier Entschuldiger geraten an einen scheinbar Irren, der sie zwingt, sich bei einer Leiche zu entschuldigen. Parallel geschieht auch Furchtbares: Der Gruppenzusammenhalt der vier kommt an ein jähes Ende. In moralisch prekärer Lage hat die Stunde der schicksalhaften Alleingänge geschlagen.

Eine hochtourige Dynamik der Unerbittlichkeit treibt die Handlung voran. Von Leserseite ist intellektuelle Beteiligung gefordert, denn erzählt wird mal in erster, mal in dritter, oft auch in zweiter Person Singular; und das wird sich als konsequente Umsetzung eines so grausamen wie komplexen Drehbuchs herausstellen.

Die höchste Grausamkeit aber, die der Autor seinen Figuren antut, liegt darin, dass niemand von ihnen auch nur ahnt, wie die Dinge wirklich zusammenhängen. Die handelnden Personen tendieren dazu, die Handlungen der anderen falsch zu interpretieren. So werden fast alle, die sterben müssen, nicht wissen, warum. Von den Überlebenden ganz zu schweigen. Das alles ist hervorragend geschrieben, trotz aller Konstruiertheit superspannend und ein Höhepunkt deutschen Thrillerschaffens, aber: extrem harter Stoff.

■Zoran Drvenkar: „Sorry“. Ullstein Verlag, Berlin 2009. 397 Seiten, 19,90 Euro