Kein Aufstand der Richter

Der Präsident des Leipziger Bundesverwaltungsgerichtes lehnt es ab, gerichtlich Neonazi-Aufmärsche zu verhindern. Die Richter würden so ihre Unabhängigkeit verlieren

LEIPZIG epd ■ Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes, Eckart Hien, hat Forderungen nach richterlicher Zivilcourage bei Entscheidungen über Neonazi-Aufmärsche zurückgewiesen. Ein Richter gebe seine Unabhängigkeit auf, „wenn er politischen Mut in seine Entscheidungen legt“, sagte Hien bei einer Diskussionsveranstaltung in der Leipziger Thomaskirche.

Wenn Neonazis sich eine Stadt für Versammlungen aussuchten, zögen viele Bürgermeister vor die Verwaltungsgerichte, „nur um den Richtern letztlich den schwarzen Peter zuschieben zu können“, kritisierte Hien. Zuletzt war es vor dem NPD-Bundesparteitag im thüringischen Leinefelde und Neonazi-Aufmärschen in Leipzig zu rechtlichen Auseinandersetzungen gekommen. Verwaltungsrichter seien an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes gebunden, „an denen sie nicht ständig rütteln können“, sagte Hien. Das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht habe allerdings „in einem Fiasko geendet“, kritisierte der Präsident des obersten deutschen Verwaltungsgerichtes. Gerichte könnten nur Aufmärsche von verbotene Parteien oder Gruppierungen verbieten.

Der Leipziger Thomaspfarrer Christian Wolff warnte vor einer „zu positivistischen Rechtshaltung“. Leipzig war im Oktober vor dem Oberverwaltungsgericht Bautzen mit dem Vorschlag gescheitert, die Route einer Neonazi-Demonstration zu verlegen. Gegendemonstranten hatten daraufhin am 3. Oktober verhindert, dass Neonazis durch ein alternatives Stadtviertel ziehen konnten.