Motz startet Sonderangebot

Der Verein, der auch die Straßenzeitung herausgibt, hat in der Friedrichstraße einen Second-Hand-Laden eröffnet. Nur ein paar hundert Meter vom schicken Konsumtempel Lafayette gibt’s jetzt auf 300 Quadratmetern alles fürs günstig-schöne Wohnen

VON ANNA MECHLER

In keiner anderen Straße Berlins ist der Kontrast von Arm und Reich so stark wie in der Friedrichstraße. Auf der einen Seite die schicken Geschäfte und das französische Edelkaufhaus Lafayette, auf der anderen, südlich des Checkpoint Charlie, das Arbeitsamt, die Polizeiwache und grau-braune Plattenbauten – die so genannte alte Friedrichstadt. Hier scheint es, als sei die Stadt immer noch geteilt, nur nicht durch eine Mauer, sondern in Arm und Reich.

Genau in dieser Szenerie hat der Berliner Verein Motz und Co. e. V., der das gleichnamige Straßenmagazin herausgibt, am 1. November ein Sozialkaufhaus eröffnet. In den Regalen des knapp 300 Quadratmeter großen Raumes türmen sich gebrauchte Klamotten, Haushaltswaren, Möbel und elektronische Geräte. Die Dinge für den alltäglichen Gebrauch kosten nur rund ein Drittel des Preises, den man sonst in einem Second-Hand-Laden zahlen würde, und sind speziell für Menschen mit wenig Geld gedacht.

„Wir wollten das Sozialkaufhaus unbedingt hier aufmachen,“ sagt der 55-jährige Rolf Bruns, der die Eröffnung mitorganisiert hat und schon seit Jahren für den Verein tätig ist. „Hier werden wir gebraucht, schließlich gibt es hier jede Menge arme Menschen.“

Anders als in den Sozialläden, in denen es Lebensmittel zu Niedrigpreisen nur gegen Vorlage entsprechender Nachweise gibt, muss hier niemand seine Bedürftigkeit nachweisen. Einerseits will der Verein arme Menschen nicht dazu zwingen, sich beim Einkaufen zu outen, andererseits seinen Kunden vertrauen. Wer kann, zahlt freiwillig mehr, so das Motto. „Jeder soll hier ein gutes Gefühl bekommen und sich wohl fühlen. Wenn einer ’ne neue Wohnung bekommt und seine Küche einrichten muss, bekommt er bei mir den Preis, den er zahlen kann. Darauf kommt es hier an“, sagt Bruns.

Alles, was man im Laden kaufen kann, ist gespendet; und Spenden sind auch jederzeit willkommen. Davon lebt der Verein, dem alle Erträge zugute kommen. Noch Anfang September war unklar, wo die Ladeneinrichtung herkommt. Nur durch tatkräftige Spenden konnte der Zeitplan eingehalten werden.

Die Miete auf der Kreuzberger Seite der Friedrichstraße ist zwar nicht so hoch – 7,50 € pro Quadratmeter ist der Grundpreis, der nördlich des Checkpoint Charlie verdoppelt wird –, bezahlt werden soll sie aber ausschließlich von dem Erlös.

Das Sozialkaufhaus hat noch ein anderen ehrgeizigen Wunsch: „Unser Ziel ist es, langfristig auch feste Arbeitsplätze im Verhältnis der ersten Arbeit anzubieten“, sagt Rolf Bruns. Auch Praktikumsplätze sollen angeboten werden. „Für junge Menschen ist das eine Chance,“ so der 55-jährige Neuköllner. Rolf ist Kassenwart bei Motz und Konsorten und arbeitet 40 Stunden die Woche in dem Laden – und das mit fester Überzeugung, denn er hat dem Verein viel zu verdanken. Früher war er selbst obdachlos, dank dem Verein hat er sich wieder aufgerappelt.

Auch Besserverdienende gehören zur Zielgruppe und dürfen im Laden einkaufen. Schließlich unterstützt jeder, der hier Geld ausgibt, den Verein und seine sozialen Einrichtungen.

„Motz – Der Laden“ findet sich in der Friedrichstraße 226, Kreuzberg