Niederlage für Monsanto

Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hält die Maissorte MON 810 für gefährlich – und verbietet sie mit sofortiger Wirkung

Die gestern in Deutschland verbotene Maissorte MON 810 des US-Saatgutherstellers Monsanto ist ein BT-Mais. Das heißt, ihm wurden Gensequenzen des Bakteriums „Bacillus thuringiensis“ eingeschleust, die die Pflanze dazu bringen, ein für die Raupe eines Schmetterlings, des Maiszünslers, tödliches Gift zu produzieren. Der Maiszünsler befällt die Stängel der Maispflanze und lässt sie einknicken. Das bewirkt hohe Ernteausfälle.

Wie das Gift auf andere Insekten wirkt, ist heftig umstritten und noch nicht geklärt. 2008 war MON 810 in Deutschland auf etwa 4.000 Hektar angebaut worden, 2009 waren 3.700 Hektar beantragt worden. Im internationalen Vergleich sind das allerdings kleine Anbauflächen. Hauptanbaugebiete gentechnisch veränderter Pflanzen sind weltweit Argentinien, die USA und Brasilien.

VON HEIKE HOLDINGHAUSEN

Nur noch wenige Tage, dann säen die Landwirte in Deutschland den Mais aus. Die Säcke mit dem Saatgut der Sorte MON 810 des US-Herstellers Monsanto müssen sie wohl in der Scheune lassen. Gestern hat Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) Anbau und Verkauf der gentechnisch veränderten Sorte verboten. Es gebe einen „berechtigten Grund zu der Annahme, dass der genetisch veränderte Mais“ eine Gefahr für die Umwelt darstelle, begründete Aigner ihre Entscheidung.

Dabei berief sich die Ministerin vor allem auf das Anbauverbot Luxemburgs vom März. Das Land hätte neue Studien von 2008 und 2009 angeführt, die eine Gefährdung des Zweipunkt-Marienkäfers und von Wasserorganismen durch MON 810 nahelegten. Der Monitoring-Bericht Monsantos, der eigentlich Grundlage einer Entscheidung Aigners bilden sollte, hatte hingegen kein Ergebnis gebracht. Dessen Bewertung durch die zuständigen Bundesbehörden „ergab keine einheitliche Auffassung“, so Aigner.

Ihr Verbot sei keine Grundsatzentscheidung über den künftigen Umgang mit grüner Gentechnik, betonte Aigner. Auch als politisch motiviert wollte sie es nicht verstanden wissen, vielmehr sei es rein fachlich begründet, sagte sie. Mit dem Verbot macht Aigner eine Entscheidung ihres Amtsvorgängers Horst Seehofer (CSU) rückgängig, der den Anbau der Maissorte 2006 zugelassen hatte. Für das laufende Jahr wollten Landwirte auf insgesamt 3.700 Hektar Genmais anbauen. Das wären etwa 0,2 Prozent der Ackerfläche für Mais gewesen.

Lob erntete die Ministerin aus ihrer eigenen Partei – sie habe „fachlich richtig“ entschieden, befand Bayerns Umweltminister Markus Söder – und von Umweltverbänden. „Ein Anbauverbot war überfällig“, sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Ein „freudiger Tag“ für die Imker sei das, sagt der Präsident des Deutschen Imkerbundes, Peter Maske. Er erkenne an, dass sich Aigner mit Mut durchgesetzt habe. Nun müsse ein vollständiges Verbot grüner Gentechnik erfolgen. „Als Etappensieg der Vernunft“ stuft der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) die Entscheidung ein und fordert, nun müsse Aigner sich auch der Zulassung weiterer Genmais-Sorten in Brüssel widersetzen.

Kritik übten CDU und Grüne. „Der Zickzackkurs von Aigner und Seehofer war unverantwortlich“, sagte Renate Künast, Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion. Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) „bedauerte“ die Entscheidung, schließlich hätte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit im Dezember 2008 keine Bedenken gegen die Sicherheit von MON 810 geäußert. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Bundestag, Katherina Reiche, nannte die Entscheidung „populistisch“.

Als „haltlos“ bezeichnete sie Monsanto-Sprecher Andreas Thierfelder, „sie hat keine wissenschaftliche Grundlage“. Das Unternehmen sei gespannt auf die Begründung, die das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in seinem Bescheid nun formuliere. Sobald dieser eingegangen sei, werde Monsanto unverzüglich Widerspruch einlegen, so Thierfelder. „Unser Ziel ist, den Landwirten auch die Aussaat von MON 810 in diesem Jahr zu ermöglichen“, sagt der Sprecher. Er halte es nicht für vorstellbar, dass die deutsche Gesetzgebung ein Verbot rechtfertige. „Notfalls wird das ein langer Weg durch die Verwaltungsgerichte.“ Die Frage nach einem Schadensersatz für die Landwirte, die sich schon im Winter mit dem gentechnisch veränderten Saatgut eingedeckt haben, müsse nun die Ministerin beantworten. „Für finanzielle Verluste steht nun Frau Aigner in der Pflicht.“

Aigner bezieht sich bei ihrem Verbot auf Schutzklauseln des deutschen und europäischen Gentechnikrechts. Auf den Artikel 23 der EU-Freisetzungsrichtlinie hatten sich schon Staaten wie Österreich, Ungarn, Frankreich, Griechenland und zuletzt Luxemburg bei ihren Genmaisverboten berufen.

Um ein langfristiges Konzept für den Umgang mit der Technik zu finden, wird das Landwirtschaftsministerium nun ein Strategiepapier erarbeiten. Dabei würden auch unabhängige Experten Gehör finden. Ursprünglich wollte Aigner die Entscheidung über Anbauverbote den Bundesländern überlassen. Diese Strategie habe sich auch nach ihrer gestrigen Entscheidung nicht verändert.