Bremer Hilfe fein raus

Betrugsabsicht sei vermutlich nicht nachweisbar, meinte das Gericht und stellte das „Bremer Hilfe“-Verfahren ein

Mit einem deutlichen Seitenhieb kritisierte der Richter die Sozialbehörde

Bremen taz ■ Wegen „geringer Schuld“ hat das Amtsgericht gestern das Strafverfahren gegen den Vereinsvorsitzenden und den Geschäftsführer der „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“ eingestellt. Betrug in 17 Fällen und einen Fall von Untreue hatte der Staatsanwalt nach siebenjährigen Ermittlungen in die Anklageschrift geschrieben. Demnächst wird die Gläubigerversammlung des inzwischen im Konkurs befindlichen Vereins stattfinden, auf denen die betrogenen Institutionen wie „Aktion Mensch“ oder die Landesversicherungsanstalt Rückforderungen in Millionenhöhe stellen.

„Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde es nicht zu einer Verurteilung kommen können“, meinte der Amtsrichter gestern. Zwar sei der Sachverhalt von der Kripo sehr detailliert ermittelt worden, aber für den Vorwurf des Betruges müsse die Absicht nachweisbar sein: „Es würde sich am Ende der Nachweis eines vorsätzlichen Fehlverhaltens oder einer Absicht, den Verein zu bereichern, kaum führen lassen.“ Die Strukturen bei der Bremer Hilfe seien eben „ungeordnet“ gewesen, Geschäftsführer Klaus Dyck habe „versucht, das Chaos in den Griff zu bekommen“. Und der Vereinsvorsitzende Volker Tegeler sei „noch weiter vom eigentlichen Alltagsgeschehen entfernt“ gewesen. Dass er 1997 die Details genau kannte, sei kein Beweis dafür, dass er in den Zeiten des Betrugsvorwurfes – 1995 – daran mitgewirkt habe.

Auch bei einer Vernehmung der Hauptbelastungszeugen würde sich vermutlich, soweit das aus den Akten zu ersehen sei, keine Betrugsabsicht nachweisen lassen. Der Richter räumte ein, dass im Falle der Druckmaschinen – die Anklageschrift vermutete hier ein Scheingeschäft – durchaus „Zweifel bleiben“ würden. Mit einem deutlichen Seitenhieb kritisierte der Richter die Sozialbehörde, der er „mangelhafte Überwachung“ vorhielt: „Hätte man den Verein insgesamt schärfer kontrolliert, dann wäre sicher hier so ein Durcheinander über längere Zeit nicht gewesen“, meinte er.

Einige der Zuschauer bei dem Prozess waren offenbar ehemalige Mitarbeiter und Bremer Hilfe-Geschädigte und angesichts dieser Interpretation fassungslos: „Ich gründe jetzt auch einen Verein, wurschtel wild drauf los und zieh‘ ordentlich Geld vom Staat ab“, rief einer wütend in den Gerichtssaal. „Ist hier eigentlich schon mal der Name Hoppensack gefallen?“ fragte eine Zuschauerin in Anspielung auf den früheren Staatsrat im Sozialressort, der mit Tegeler per „Du“ gewesen war. Es sei doch offensichtlich eine große sozialdemokratische Familie, meinte sie.

Die Verteidigung malte dagegen die Situation der Angeklagten traurig: „Da arbeitet mein Mandant jahrelang ehrenamtlich als Vorsitzender des Vereins, viele Stunden, ohne einen Pfennig dafür zu sehen – und bleibt jetzt auch noch auf seinen Kosten sitzen“, sagte Tegelers Anwalt Erich Joester. Neben den Anwaltskosten haben die Angeklagten zugestimmt, Spenden an eine Blindenhilfe in Sarajewo und an eine Bürgerinitiative gegen Atomanlagen zu zahlen.kawe/dos