Mittagspause in der Pakethölle

Wenn die Post sich was Tolles ausdenkt: Viel Spaß mit den neuen „Packstationen“

Ein modernes System für flexible Großstadtmenschen – so war es jedenfalls gedacht

Ich hätte es wissen müssen! Ich hätte es lassen sollen! Tausend mal passiert habe ich sie, die gelbe Schließfachanlage im Frankfurter Südbahnhof mit der Aufschrift „www.Packstation.de“ und tausendmal hat es mich nicht weiter berührt. Aber irgendwann eben doch.

Die Aussicht war ja auch zu verführerisch: Ich würde der Hölle der orangefarbenen Karten entrinnen! Nie wieder durchs Fenster beobachten, wie der Paketbote fröhlich pfeifend die Klingel ignoriert und seine vorbereitete Mitteilung („… hat Sie leider nicht angetroffen“) in den Briefkasten stopft. Nie wieder Samstagvormittage auf dem Postamt verbringen, in einer Schlange mit 120 anderen Orange-Karten-Besitzern. Nie mehr wegen fehlender Vollmacht wieder weggeschickt werden. Und nie wieder in traurige Kinderaugen blicken, weil Opas Geburtstagspaket auf dem Postamt statt auf dem Gabentisch liegt. Stattdessen ein modernes System für flexible Großstadtmenschen: Ab sofort deponiert die Post alle Sendungen für uns direkt in einer jederzeit zugänglichen Schließfachanlage, damit sie nicht so tun muss, als habe sie versucht, sie uns zuzustellen. Sie informiert uns per E-Mail darüber, dass wir etwas abholen können. Wir können eine von über 100 Packstationen auswählen, bei der wir unsere Sendungen im 24-Stunden-Tag-und-Nacht-rund-um-die-Uhr-Verfahren selbst abholen können. Super-Idee!

Sicher, eine kleine Hürde gibt es. Die Anmeldung über www.Packstation.de ist komplizierter als der Kauf eines Eigenheims. Aber schließlich haben wir die goldene Packstation-Karte, unsere 34. PIN-Nummer, Aufkleber für den Briefkasten, diverse Formulare und Prospekte – und warten gespannt auf die erste E-Mail …

Stattdessen haben wir nach einigen Tagen was im Briefkasten? Eine orangefarbene Karte mit dem Hinweis, eine Sendung für uns habe nicht zugestellt werden können und wir sollten sie am Postamt XY abholen. Unsere fassungslose Nachfrage nach stundenlangem Anstehen wird mit dem kühlen Hinweis beantwortet, die Packstation sei nur für Pakete und Päckchen da; bei der Sendung, die nicht in unseren Briefkasten gepasst habe, handele es sich aber um eine Briefsendung. ARRRRGGGG!!!!!

Die lang erwartete erste E-Mail kommt dann nach sechs Wochen und teilt uns nicht etwa mit, dass ein Paket für uns in der Packstation liegt, sondern dass die Packstation, für die wir uns entschieden hatten, leider geschlossen wird. Wir sollen das Antragsverfahren erneut durchlaufen und uns für eine andere entscheiden. Leider werden jedoch fast alle Packstationen in Frankfurt-Sachsenhausen wieder abgeschafft. Also wollen wir unseren Packstation-Zugang kündigen und flehen um Zustellung wie bisher, das heißt um orangefarbene Karten. Das wird aber ignoriert.

Neulich dann war wieder Geburtstag. Großpapa hatte das Paket eine Woche vorher abgeschickt. Fünf Tage nach dem Geburtstag kommt eine Mail, adressiert an „Herrn Bettina und Oliver Domzalski“: Sie lautet: „Eine Sendung liegt für Sie in der Filiale Hainer Weg 144 wegen Kapazitätsengpass zur Abholung bereit. Bitte holen Sie die Sendung innerhalb von 7 Tagen ab.“ Filiale?! Anstehen?! Vollmacht?! Hey – super, dieses Packstation-Verfahren! Wir fahren sofort los. Leider steht in der Mail nicht, wann die Filiale geöffnet hat. Aber freitags um 12 Uhr wird ja wohl … – denkste! Die Mittagspause der genannten Filiale ist zwar knapp bemessen, fällt aber leider genau in die Zeit unseres Abholversuchs: Sie dauert von 11.30 bis 15 Uhr.

Als wir heimkommen, haben wir erneut eine Mail: „Bitte denken Sie daran, Ihre Packstation-Sendung innerhalb von 2 Tagen bei der Packstation 120 (Hainer Weg) abzuholen.“ Ähhh??!! Zwei Tage? Gestern waren es doch noch sieben! Und die Sendung lag in der Filiale! Des Rätsels Lösung erfahren wir am folgenden Tag: Der Kapazitätsengpass in der Packstation war unter anderem deshalb entstanden, weil man dort fünf Tage zuvor ein anderes Paket an uns deponiert hatte – allerdings leider, ohne uns davon zu unterrichten.

Der Schlusssatz in jeder Packstation-Mail lautet: „Viel Spaß bei der Nutzung von Packstation.“ Keine Sorge, den haben wir.

OLIVER THOMAS DOMZALSKI