berliner szenen Mit ehrlicher Arbeit

Die Maklerin

Das Angebot ist nicht schlecht. Ein Altbau, praktisch geschnitten und große Fenster, durch die den ganzen Tag über Licht auf den Parkettfußboden fällt. Im Treppenhaus bröckelt zwar der Putz von den Wänden, aber das ist nicht schlimm. Sanierte Wohnungen kann man im Prenzlauer Berg ohnehin nicht bezahlen.

„Wir haben hier gerne gewohnt“, sagt die junge Frau, die gerade die letzten Kisten packt. Sie ist Schwedin, genau wie ihr Mann, der als Ingenieur in Deutschland keine Arbeit mehr findet. Darum gehen sie jetzt zurück in ihr Heimatland: „Ich freue mich auf den schwedischen Winter.“ Die Maklerin nickt. Sie kennt Schweden, aber vor allem kennt sie Deutschland: „Hier verdient man ja mit ehrlicher Arbeit kein Geld mehr.“ Erst im Treppenhaus fällt ihr wieder ein, warum sie eigentlich zu dem Termin gekommen ist: „Wenn Sie etwas Günstiges suchen, ist das hier doch genau das Richtige.“

Den Einwand, dass das Haus bestimmt bald saniert und die Miete damit ins Unermessliche steigen werde, lässt sie nicht gelten: „Keine Angst, das bleibt hier mindenstens noch zehn Jahre genauso, wie es jetzt ist.“ Verächtlich rüttelt sie am wackligen Treppengeländer: „Das Haus ist ein reines Abschreibungsobjekt. Hier hat niemand auch nur das geringste Interesse, Geld reinzustecken.“ Für einen Moment senkt sie die Stimme. „Der Besitzer ist Jude“, sagt sie und zwinkert bedeutungsvoll: „Der macht seine richtigen Geschäfte mit seinen Partnern in Israel.“ Zum Abschied überreicht sie lächelnd ihre Karte: „Die Provision beträgt drei Kaltmieten.“ Es muss ein schönes Gefühl sein, zu den letzten Menschen zu gehören, die ihr Geld noch auf ehrliche Art und Weise verdienen. Selbst wenn man für einen Juden arbeiten muss. KOLJA MENSING