berliner szenen Der böse Schnorrer

Ein anmutiger Trick

Auf Schnorrer trifft genau das zu, was Max Goldt schon über Plastiktüten, Hexen und Tumore gesagt hat: Es gibt gute und böse. Die guten Schnorrer sind freundlich, schnorren mit professioneller Leichtigkeit und Eleganz. Ihnen etwas zu geben macht richtig Spaß, vor allem deshalb, weil sie sehr schnell arbeiten und niemanden extra lange aufhalten.

Nicht so die bösen. Schon von weitem konnte ich kürzlich wieder die lahme Leier eines ihrer penetrantesten Vertreter hören: „Hast du ein paar Cent oder so?“ – Pause – „Kann auch ’ne Kippe oder so sein, nehm ich auch.“ – Pause – „Nur eine vielleicht? Will ja nicht gleich die ganze Schachtel, hahaha.“ Unmutig versorgten ihn die Leute mit Geld, um den Prozess abzukürzen.

Ich gucke verklemmt auf den Boden, als ich an der Reihe bin, und lasse den ersten Vers über mich ergehen. Dass er das Wort Cent mit Z ausspricht, trägt nicht zur Verbesserung meiner Laune bei. „Nein“, murmle ich mit gesenktem Kopf und hoffe wider besseres Wissen, dass er weggeht. „Brauchst gar nicht so schüchtern zu sein“, leitet er ein längeres Gespräch ein. „DU bist schüchtern“, entfährt es mir spontan, ohne dass ich genau sagen kann, warum.

Stimmen tut’s ja nicht gerade. Umso verblüffender ist die Wirkung meiner grundlosen Behauptung. Der Schnorrer weicht zurück. „Schüchtern? Ich bin nicht schüchtern“, sagt er und schüttelt den Kopf. Grußlos und immer noch mit dem Kopf schüttelnd wendet er sich zum Gehen. „Schüchtern!“, höre ich ihn verächtlich murmeln. Plötzlich habe ich gute Laune. Welch schlichter, schöner und anmutiger Trick! Bei dem Nächsten probiere ich es wieder, genauso wie im Rhetorikseminar: Einfach Vorwürfe machen, Hauptsache, sie stimmen nicht. KATHARINA HEIN