Guter Wille gegen die Giftspritze

Agrarministerin Künast stellt das lang erwartete Reduktionsprogramm für Pestizide vor: mehr Schulung für Bauern, mehr Kontrollen, gute Beispiele. Umweltschützer: „Mogelpackung“. Ihnen fehlen Quoten zur Reduzierung und ein Zeitrahmen

VON BERNHARD PÖTTER

Mit einem „Reduktionsprogramm chemischer Pflanzenschutz“ will Agrarministerin Renate Künast (Grüne) den Pestizideinsatz auf deutschen Äckern reduzieren. So sollen die Landwirte besser geschult und beraten werden, ihnen sollen Alternativen zum Gifteinsatz und bessere Technik präsentiert werden. Auch die Kontrolle will Künast verbessern lassen und ein „Hot-Spot-Management“ für besonders betroffene Gebiete einführen, damit „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ Gift auf die Felder gelange, sagte Künast gestern.

Das Bündel an 19 Maßnahmen ist Ergebnis einer langen Debatte. Über zwei Jahre lang diskutierten Künasts Beamte mit Vertretern von Bundesländern, Bauern, Agrarindustrie und Umweltschützern. Herausgekommen sind 19 freiwillige Maßnahmen. Weniger Gift bedeute Gewinn für alle, so die grüne Ministerin: „Die Verbraucher bekommen weniger belastete Lebensmittel; die Umwelt wird entlastet; der Landwirt spart beim Einsatz der teuren Mittel.“

Konkret sieht das Bündel an Maßnahmen vor, dass vor allem die Anwender, also die Bauern, sachgerechter mit der Spritze umgehen sollten. Sie sollen ihre Spritztouren besser dokumentieren und sich auf „Beispielbetrieben“ ansehen, wie mit weniger Gift gearbeitet wird. Neue Geräte sollen die Mittel besser dosieren, die Forschung könnte mehr Alternativen zu den Giften anbieten, der Öko-Landbau soll gefördert werden. Ein neuer Pflanzenschutzindex PIX wird anzeigen, wie erfolgreich das Projekt ist. Künasts Ziel: In Zukunft sollen nur noch bei höchstens ein Prozent der Lebensmittelproben die Grenzwerte überschritten werden – bisher zwischen 3 und 7 Prozent.

Etwa 35.000 Tonnen Agrargifte werden jedes Jahr in Deutschland verkauft. Nach Schätzungen des „Pestizid-Aktions-Netzwerks“ (PAN) könnte der Einsatz der Mittel ohne größere Anstrengungen um 30 Prozent reduziert werden. Künast will sich auf Zahlen nicht festlegen lassen: „Wenn wir nur das Gewicht zählen, entziehen die Hersteller den Mitteln das Wasser und bringen uns so eine rein statistische Reduzierung.“ Sie setzt darauf, an den „Hot Spots“ anzusetzen: Gibt es ein Problem in einem Anbaugebiet, sollen sich alle Beteiligten zusammensetzen und es lösen.

Während der Industrieverband Agrar Künasts Programm begrüßte, kam von den Umweltverbänden deutliche Ablehnung. Greenpeace nannte das Vorhaben „eine Mogelpackung“. Das Ziel sei richtig, aber da Reduktionsziele fehlten, lasse Künast offen, „wie stark der Pestizideinsatz überhaupt gesenkt werden solle“. Auch Carina Weber von PAN erklärte, das Programm sei „unzureichend, weil es sich überwiegend auf unverbindliche und freiwillige Maßnahmen beschränkt. Ohne konkrete Ziele und Fristen ist die dringend erforderliche Trendwende beim Pestizideinsatz nicht zu erwarten.“ Der Nabu monierte, es fehle eine „verbindliche Definition“ der „guten fachlichen Praxis“, die festlegt, wie genau sich die Bauern etwa beim Pestizideinsatz zu verhalten haben.

Die Finanzierung der Maßnahmen fordere „zusätzliche finanzielle Anstrengungen“ aller Beteiligten, hieß es von Künast. Neues Geld werde es aber vom Bund für die Länder und ihre Aufgaben nicht geben. Und für fast alle Maßnahmen braucht der Bund die Unterstützung der Länder. Denen obliegt jetzt schon die Lebensmittelkontrolle, bei der es häufig Probleme mit der Qualität gibt.