Lemke wieder ohne Kopftuch

Der Bremer SPD-Bildungssenator kann wieder seine alte Position vertreten: Anders als noch vor acht Wochen will er wieder alle religiösen Symbole verbieten. Auf einer Podiumsdiskussion streitet er sich darüber mit Religions-Fachleuten

Bremen taz ■ Alle Religionen müssen gleich behandelt werden, zumindest darin waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion zum Kopftuchstreit am Donnerstagabend in der Universität einig. Doch ob als Konsequenz aus dieser Grundannahme alle religiösen Symbole erlaubt oder im Gegenteil verboten gehören – darüber gingen die Meinungen weit auseinander.

Während der SPD-Bildungssenator Willi Lemke bei Kreuz-, Kippa- und KopftuchträgerInnen im öffentlichen Dienst eine unerwünschte Beeinflussung der Schüler und Schülerinnen befürchtet, überwiegen für die Religions-Fachleute die negativen Folgen eines Verbots. „Es wird die Falschen treffen“, argumentierte der Islambeauftragte der evangelischen Kirche Heinrich Kahlert, „nämlich diejenigen, die wir dringend in den Schulen brauchen.“ Gerade die jungen muslimischen Referendarinnen verfügten über die viel beschworene interkulturelle Kompetenz und seien für die Integration von muslimischen Kindern unverzichtbar.

Lemke hingegen beharrte darauf, dass Lehrerinnen mit Kopftuch Kinder in ihrer freien Entscheidung beeinflussen würden. „Ich will nicht, dass die muslimischen Mädchen durch eine Kopftuch tragende Lehrerin zusätzlich zu ihrem Elternhaus unter Druck gesetzt werden“, so Lemke. „Es gibt Fälle, wo Mädchen ohne Kopftuch von Mitschülern als Huren beschimpft wurden.“ Religion sei reine Privatsache. Daher lehne er auch eine Einzelfallprüfung ab, wie es SPD-Bürgermeister Henning Scherf vorgeschlagen hatte. „Dann müsste ich ja immer gucken, was unter dem Kopftuch ist, ich will aber keinen Schnüffelstaat“.

Vor acht Wochen auf dem SPD-Parteitag hatte Lemke noch ganz anders argumentiert. Da hatte er Scherfs Einzelfall-Kompromiss verteidigen müssen, den der SPD-Vorstand als Beschlussgrundlage in den Parteitag eingebracht hatte. Dieser sollte einen gemeinsamen Gesetzentwurf mit dem Koalitionspartner CDU erleichtern, die nur „Symbole der christlich-abendländischen Tradition“ erlauben will. Doch der Vorschlag scheiterte, die Basis verpasste Scherf einen Denkzettel für seine eigenmächtige Entscheidung, 2005 doch nicht abzutreten.

Seitdem kann Lemke wieder seine von „seinem Freund Henning“ abweichende Meinung vertreten und das tat er am Donnerstag ausgesprochen emotional. „Unglaubliche Verbrechen sind im Namen Gottes begangen worden. Religionen verbinden nicht, das ist unerträglich so was zu sagen“, kritisierte er seinen Vorredner Manfred Spieß, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Studiengang Religionswissenschaften. Dieser hatte zuvor für Religionsfreiheit plädiert und das Verbindende von Religionen gepriesen.

Außerdem stritt sich Lemke mit einem muslimischen Studenten darum, ob der Koran das Tragen des Kopftuchs vorschreibe. Der Koran schreibe vor, dass die Frau sich vom Fußknöchel bis zum Scheitel bedeckt halten müsse, hatte der Student argumentiert. „Ich kenne das genau andersherum, dass das nicht im Koran steht“, erwiderte Lemke. Der Theologe und Islambeauftragte Kahlert versuchte zwischen den Positionen zu vermitteln. „Es gibt Muslime, die sagen man braucht das Kopftuch nicht tragen.“ Letztendlich sei die Entscheidung über diese Frage aber nicht Sache deutscher Behörden. „Da dürfen wir uns nicht einmischen, das ist deren Sache.“

Fritz Schorb