Blaue Zungen leeren in Andalusien die Kassen

Die Blauzungenkrankheit erweist sich als Katastrophe für spanische Viehzüchter: Die Versicherungen zahlen nicht. Und dass die Seuche nun in Europa angekommen ist, deutet an, dass der Klimawandel schneller stattfindet als erwartet

MADRID taz ■ Die Stechfliegen halten Spaniens Viehwirtschaft in Schach. Seit einigen Wochen übertragen sie den Blauzungen-Virus, der bisher hauptsächlich in Afrika verbreitet war. Er befällt Schafe und Kühe sowie frei lebendes Rotwild.

Die befallenen Tiere bekommen Fieber, die Schleimhäute verfaulen, manchmal entfärbt sich die Zunge. Ihr bläulicher Schein gab der Krankheit den Namen. Bei Schafen verläuft die Seuche tödlich. Mehrere hundert Tiere mussten bisher notgeschlachtet werden. Betroffen sind die Landesteile südlich der Hauptstadt Madrid und insbesondere Spaniens südlichste Region Andalusien.

Die Seuche könnte schnell zu einer wirtschaftlichen Katastrophe für die Viehzüchter werden. Mittlerweile unterliegen über 15 Millionen Tiere in vier Autonomien einem vom Madrider Landwirtschaftsministerium verhängten Transportverbot. Darunter befinden sich 11 Millionen Schafe, die Hälfte der spanischen Bestände. Viehmessen wurden zunächst abgesagt.

Die EU-Kommission hat vorige Woche den Export von Tieren aus den Seuchengebieten in die EU verboten. Das Landwirtschaftsministerium in Madrid berät über Hilfsgelder für betroffene Zuchtbetriebe. Denn Versicherungen zahlen den Schaden der bisher in Europa kaum bekannten Seuche nicht.

Jetzt soll eine groß angelegte Impfaktion Abhilfe schaffen. In den nächsten zwei Monaten sollen knapp eine halbe Million Tiere gegen die Krankheit immunisiert werden. Bis gestern konnte damit allerdings noch nicht begonnen werden, da der Impfstoff, über den die EU verfügt, noch nicht in Spanien eingetroffen ist. In den betroffenen Regionen sollen außerdem großflächige Einsätze mit Spritzmitteln gegen Stechfliegen stattfinden. Insgesamt hat das Landwirtschaftsministerium 5,2 Millionen Euro für die Bekämpfung der Blauzungenkrankheit bereitgestellt.

In den nächsten Tagen wollen sich Verantwortliche aus dem spanischen Landwirtschaftsministerium mit ihren Kollegen aus dem benachbarten Marokko treffen. Dort ist die Krankheit schon länger verbreitet.

Regierung und Viehzüchter versuchen die Bevölkerung zu beruhigen. „Die Krankheit überträgt sich nicht auf den Menschen und auch nicht von Tier zu Tier“, heißt es. Der Virus werde ausschließlich von Stechfliegen, die mit einem kranken Tier in Kontakt gekommen sind, weiterverbreitet. Spaniens Molkereiunternehmen schalten Anzeigen und werben um das Vertrauen der Verbraucher. Der Viehexport ins restliche Spanien und nach Europa soll beschränkt bleiben, bis zwei Jahre keine neuen Fälle von Blauzungenkrankheit aufgetaucht sind.

Der Blauzungenvirus war bisher vor allem in Afrika und in einigen Regionen Asiens verbreitet. Dass er jetzt auch in Spanien und im vergangenen September in Korsika auftauchte, lässt vor allem bei den Klimaforschern die Alarmglocken schrillen. Sie sehen darin einen Beweis mehr, dass sich das Klima verändert. Seit Jahren sagen sie für die Iberische Halbinsel eine zunehmende Versteppung und die Ausbreitung von Seuche vorher. Die Blauzungenkrankheit ist ein erstes Indiz dafür, dass diese These stimmen könnte. „Die Europäische Union muss diese Krankheit erforschen. Sie könnte sich in Europa durch den Klimawechsel zu einer Epidemie auswachsen“, warnt deshalb der Landwirtschaftsminister der Autonomieregierung in Andalusien, Isaias Pérez Saldaña.

REINER WANDLER