Starke Kinder

Um ihre Kinder zu schützen, buchen viele Eltern Trainingskurse, die die Kleinen selbstbewusster machen. Großer Anbieter ist WSD Pro Child

„Den Staubsauger kaufen wir“, scherzen Eltern von Drittklässlern nach einem Elternabend von WSD (Women Self Defence) Pro Child. So intensiv hat Self-Defence Trainerin Natascha Blumensaat zuvor zwei Stunden lang rund 40 Erwachsenen das Konzept „Kinder stark und selbstbewusst machen“ näher gebracht. Wie eine professionelle Promoterin trat sie auf dem Informationsabend an einer Bremer Schule auf. Vor ihr besorgte Erwachsene auf Kinderstühlen, von denen später viele sagen: „Da kann man wohl wenig falsch machen. 49 Euro sind OK.“

Über 2.000 Bremer Kinder – vom Kindergarten- bis ins Teenie-Alter – hat die Blonde mit dem sportlichen Aussehen schon trainiert. „Wir werden weiterempfohlen“, sagt sie selbstbewusst, bevor sie an diesem Abend das auf sechs Wochen angelegte „Kids sind stark“-Training vorstellt. Es soll Kinder vor allem mental ermutigen zum Nein-Sagen – aber auch Eltern für Risiken sensibilisieren. Erwachsene müssten vor allem besser zuhören, mahnt Blumensaat. Wenn Kinder Andeutungen machten über „komische“ oder unangenehme Begegnungen beispielsweise. Wer solche Hinweise abtue – „Meinen Sie, dem sagt das Kind noch was?“, fragt sie provozierend, während die Elternschar ein wenig betroffen über Erziehungsfehler der Vergangenheit nachsinnt.

Auch um die Eltern also geht es, um Offenheit in der Familie, darum Verklemmtheiten abzulegen und zugleich die Selbstbestimmung von Kindern zu fördern. „Wir können Ihnen zwar nicht die Gewissheit geben, dass Ihrem Kind nach einem Kurs nichts passiert“, sagt Blumensaat. Doch würden mit der Teilnahme an einem Kurs die Risiken sinken. „Sexualstraftäter suchen schwache Opfer, die wenig Selbstbewusstsein ausstrahlen.“

Wie groß der Bedarf an einem solchen Präventions-Angebot ist, beobachtet sogar die Bremer Polizei. „Der Veranstalter hat einen enormen Zulauf“, sagt deren Jugendbeauftragter, Frank Kunze. Das Verschwinden und der Tod des Mädchens Adelina und des Jungen Dennis haben viele Eltern verunsichert.

Kunze selbst hat aus professioneller Neugierde einen Kurs von Blumensaat besucht. Nein – nicht mitgemacht, wie die Osterholzerin es von interessierten Eltern fordert: „Nur gucken geht nicht. Das finden die Kinder doof.“ Gut fänden die Kurzen dagegen, wenn sie bei den Rollenspielen oder Übungen besser als der Vater abschneiden – weswegen vor allem Väter erst in der vierten Trainingsstunde kommen sollten. Kunze, der Polizist und langjährige Selbstverteidigungstrainer, genoss Besucherstatus. Im Rückblick urteilt er: „Die haben ein Konzept. Was die machen, ist nicht verkehrt. Aber es ist auch ein Geschäft mit der Angst“ –dessen Erfolg nicht zu belegen sei.

Bei seinem Besuch fand der Jugendbeauftragte auch prompt ein Haar in der Suppe. „Da wurden Kinder trainiert, mutmaßliche Belästiger laut anzuschreien: Lass‘ mich in Ruhe.“ Aus kriminalpolizeilicher Sicht sei das keine gute Strategie – wecke das vertrauliche „Du“ bei Unbeteiligten doch eher den Eindruck, hier rebelliere ein Kind gegen einen vertrauten Erwachsenen. Und was das Wissen über Täter angehe, besteht er darauf: „Wir kennen die Täter, wir verhören. Prävention ist Sache der Polizei“ Zugleich muss er einräumen, dass der Polizei Ressourcen für längere Unterweisungen fehlen. Und noch etwas Gutes sieht er bei Pro Child: Dass auch Erwachsene sich da mit dem Thema Missbrauch auseinandersetzen müssen – und mit dem Thema Zivilcourage. „Da gibt es Hausaufgaben, die Eltern und Kinder gemeinsam machen müssen“, lobt Kunze. „Erwachsene müssen aufmerksamer und sensibler werden.“ Das sagt auch Blumensaat bei den Informationsabenden: „Wenn Ihr Kind Ihnen erzählt, jemand hat es vor der Schule nach der Uhrzeit gefragt, rufen Sie in der Schule an, sprechen Sie mit anderen Eltern.“ Der Trick fremder Täter sei es, Kontakt zu Kindern herzustellen, so dass sie den Kleinen im entscheidenden Moment nicht als Unbekannte erschienen. Wären Erwachsene aufmerksamer, könnte vielleicht mancher schlimme Kontakt verhindert werden. An dieser Stelle sind sich Polizist Kunze und Trainerin Blumensaat einig. ede

Weitere Informationen unter www.wsd-pro-child.de