Zeitungen zensieren Todesanzeige

In Dortmund haben zwei Lokalzeitungen eine Todesanzeige zum Gedenken an den Kommunisten Heinz Junge abgelehnt – weil sie „politische Äußerungen“ enthielt. Die Anzeige erschien schließlich in entschärfter Form

DORTMUND taz ■ Reinhard Junge ist niedergeschlagen. Kurz nach dem Tod seines Vaters, dem bekannten Dortmunder Kommunisten Heinz Junge, erreichte den Schriftsteller die nächste Schreckensmeldung. Die Lokalzeitungen, in denen Reinhard Junge eine Todesanzeige zum Gedenken an seinen Vater aufgeben wollte, bedeuteten ihm sofort, die Anzeige könne in dieser Form nicht erscheinen.

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) und die Ruhr Nachrichten (RN) störten sich an einer Formulierung Junges, der über seinen Vater geschrieben hatte: „Sein Leben stand im Zeichen des Kampfes für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, Faschismus und Krieg. Weder die Folterknechte der Nazis noch die Gesinnungsjustiz der Adenauer-Ära konnten ihn von diesem Weg abbringen.“ Insbesondere der letzte Teil, der Zusammenhang zwischen „Gesinnungsjustiz“ und dem früheren Bundeskanzler Konrad Adenauer schien die Zeitungen zu stören. Junge sollte daraufhin entweder die Anzeige zurückziehen oder den besagten Passus streichen. „Andernfalls hätten die Zeitungen das gemacht“, sagt Junge, der schließlich einlenkte und „Adenauer-Ära“ durch „Kalten Krieg“ ersetzte. So durfte die Todesanzeige erscheinen.

„Es gibt Verlagsrichtlinien, nach denen wir bedenkliche Inhalte ablehnen können“, sagt Jürgen Rustemeyer, Anzeigenverkaufsleiter der WAZ. Adenauer stehe für etwas Positives in der Bundesrepublik Deutschland. Ihn mit „Gesinnungsjustiz“ in Verbindung zu bringen, könne einen „negativen Touch“ haben – je nach dem wie man es interpretiere. Im Falle einer Veröffentlichung hätte die WAZ mit „Proteststürmen“ rechnen müssen. „Außerdem“, sagt Rustemeyer, „lehnen wir ja auch Anzeigen für Kinderpornographie ab.“

Bei den RN will man sich nicht explizit an Adenauer gestört haben. „Wir haben einen Leitfaden, der vorschreibt, dass auf Familienseiten keine Anzeigen mit politischen Inhalten erscheinen dürfen“, sagt der Anzeigenverkaufsleiter der RN, Reinhard Knust. Mit Adenauer habe dies nichts zu tun. Die Leserschaft reagiere generell empfindlich auf politische Äußerungen in Todesanzeigen. In der Vergangenheit habe es deshalb schon Beschwerden und Abo-Kündigungen gegeben, so Knust weiter. Das Merkwürdige daran: Eine Anzeige mit dem ursprünglichen Wortlaut könnte doch erscheinen – würde sie nicht auf der „Familienseite“ geschaltet, sondern im „kommerziellen Teil“ des konservativen Blattes.

Für Reinhard Junge ist das eine „Form von Nötigung“. Er habe weder jemanden beleidigt, noch rassistische Inhalte zu verbreiten versucht. Allein habe er würdigen wollen, „was mein Vater alles ertragen musste.“ Denn auch unter Adenauer sei man noch politisch verfolgt worden, sagt Junge. Damit spielt er auf die Prozesse an, die seinem Vater nach dem KPD-Verbot 1956 gemacht wurden, und in denen er letztlich zu neun Monaten Haft verurteilt wurde.

In Dortmund war Junges Vater übrigens ein angesehener Mann. Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer veröffentlichte gestern eine eigene Todesanzeige. Darin würdigt er Heinz Junge als einen „der engagiertesten Mahner gegen den Nationalsozialismus“. Bereits im Dezember 1988 hatte Junge die Ehrennadel der Stadt erhalten, weil er „unermüdlichen Einsatz in Schulen und Jugendgruppen für ein würdiges Gedenken an die Verfolgten und Opfer des Nazi-Terrors“ bewiesen habe.

BORIS R. ROSENKRANZ