Warum lachen sie?

Die Nigerianer sind das glücklichste Volk auf der Erde. Das besagt jedenfalls eine Studie aus Großbritannien. Das westafrikanische Land ist darüber gar nicht glücklich

aus Lagos HAKEEM JIMO

Böse Zungen sagen: „100 Orangen für 100 Nigerianer heißt noch lange nicht, dass jeder eine abbekommt.“ Auch wenn einige leer ausgehen, so seien Nigerianer dennoch die glücklichsten Menschen auf Erden. Das behauptet eine Studie aus Großbritannien, die jetzt im British New Scientist veröffentlicht wurde.

Diese Forschungsergebnisse der Nachkommen ihrer früheren Kolonialherren wollten viele Nigerianer freilich nicht schlucken. Ein nigerianischer Beamter sagte: „Diese überfütterten weißen Männer wissen anscheinend nicht, dass viele Nigerianer nicht einmal zwei Mahlzeiten pro Tag zusammenbekommen.“ Ganz nach dem Motto „A hungry man is an angry man“. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung Nigerias leben nach internationalen Standards unterhalb der Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag. Pastor Phillip Adams von den „All Round Success Ministries“ (den Rundum-erfolgreich-Gemeinden) gehört ebenfalls zu den Skeptikern. „Man hätte die Nigerianer fragen müssen, was sie von der Situation in ihrem Land halten, von ihren politischen Repräsentanten und wie das Leben allgemein für sie läuft“, sagte der Pastor in der nigerianischen Tageszeitung Daily Independent. Angesichts täglicher Sicherheitsgefährdung für Leib und Leben, Armut und schauderhaft häuslichen Verhältnissen, sagt Pastor Adams, seien die einzigen glücklichen Menschen in Nigeria die, die in der Regierung oder für deren Familien arbeiteten.

Eine Schnellumfrage unter Nigerianern unterschiedlichster sozialer Herkunft ergab Ablehnung: Die Studie sei kein authentisches Spiegelbild der Lage in Nigeria. Die Studie basiert unter anderem auf Kriterien wie Ehe, Freunde finden, Freude an Wohltätigkeitsveranstaltungen, nicht übertriebener Ehrgeiz und sogar genetischer Hang zur Fröhlichkeit. Glücklichsein hat nach dieser Definition auch etwas mit der Fähigkeit zu tun, nicht ständig die eigene Situation mit anderen zu vergleichen. Auch religiöser Glaube, Geld verdienen und würdig alt werden gehören dazu.

Die Eheleute Akin und Ronke Osuntokun sind wegen der Studie sofort aneinander geraten. „Die spinnen doch. Wie können Nigerianer die glücklichsten Menschen sein? Schau dich doch nur mal um“, sagt Ehefrau Ronke. Ihr Mann Akin antwortet: „Die Lebensbedingungen haben erst mal nicht wirklich etwas damit zu tun. Wirklich wichtig ist Freunde finden und so.“ Darauf wieder Ronke: „Fang nicht auch noch an wie die. Die wollen nur, dass ein paar Nigerianer auf ihre Visumanfragen verzichten. Weil es ja so toll ist hier.“

Die nigerianische Tageszeitung Guardian veröffentlichte letzte Woche eine ihrer regelmäßigen Umfragen zur Stimmung der Bevölkerung. Die Frage war diesmal: Finden Sie, dass Nigeria nach 43 Jahren Unabhängigkeit besser dasteht? Knapp 42 Prozent verneinten – knapp 38 Prozent bejahten die Frage. The Guardian schloss daraus, Nigeria sei eine „stöhnende Nation“.

Einige Nigerianer vermuten als Reaktion auf die Studie, dass ihre sprichwörtliche Leidensfähigkeit als Glücklichsein missverstanden werde. In Nigeria sagt man: Probleme allein können einen Nigerianer nicht umbringen. Aber woher kommt denn nun dieses Glück? Der Musiker Fela Anikulap Kuti, der der nigerianischen Nation wie kaum ein anderer in die Seele schauen konnte, hatte schon vor Jahren eine Antwort. Nach der Erklärung benannte er dann ein Lied: „Suffering and Smiling“.