In „Glück“ ringen die PhilosophInnen der Gruppe „DREI – Experiment Philosophie“ auf Kampnagel um Selbiges
: Epikureische Glücksritter

„Jeder ist seines Glückes Schmied“ heißt es. Doch was bedeutet dieses Sprichwort? Etwa so viel wie: Ärmel hochkrempeln und dann mit einem schweren Hammer kraftvoll auf ein glühendes Stück Metall schlagen, so dass ein Hufeisen draus werde? Entsteht also das Wonnegefühl durch die Verausgabung am Amboss? Kann sein, denn diese Tätigkeit setzt schließlich wie jede körperliche Anstrengung das Glückshormon Endorphin frei.

Die Redewendung vom geschmiedeten Glück gibt dem Hamburger Philosophen Bernhard Schleiser jedoch eher Anlass zum Fragen: „Was ist das Glück? Wer ist der Schmied? Und wo ist der Amboss? Ist Glück herstellbar, wie es das Sprichwort suggeriert?“ Traut man der Werbung, dann schon. Der neue Wagen, die rundum Lebensversicherung, ja, sogar die quietschgrüne Zahnpasta verheißen Glückseligkeit. All diese Güter liegen außerhalb des Menschen, der sie haben will, das konsumberauschte Hochgefühl entsteht durch diese Distanz. „Wir scheinen uns also auf etwas Glückliches hinzubewegen. Wir fahren zum Glück wie nach Rom, wenn es nach der Werbung geht“, lächelt Schleiser.

Er und seine KollegInnen Christian Gefert und Heidi Salaverria halten sich da als Gruppe „DREI – Experiment Philosophie“ (Foto: Lidija Delovska) lieber an Epikur. Der antike Philosoph brauchte sich nicht von „Geiz ist geil“-Slogans berieseln zu lassen, um zu erkennen, dass das ewige Streben nach dem Glück in Form eines neuen Powerbooks, Walkmans, der Glotze mit Glücksgefühl nichts zu tun hat, sondern einen Mangel erzeugt, eine innere Leere, die der begehrte Gegenstand dann füllen soll. Ganz im Gegenteil also.

Für Epikur ist die Glückseligkeit ein Zustand, der sich wahrnehmbar genau dann einstellt, wenn man ernsthaft aufhört, nach äußeren Dingen zu trachten. Und zwar als Zustand innerer Fülle und Seelenruhe. Sein Tipp, um den zu erreichen: Besinnung auf sich selbst, Distanz vom öffentlichen Leben, eine unbeteiligte Perspektive auf alles, das passiert, und sei es Folter am eigenen Leib. So riet Epikur: „Auch wenn der Weise gefoltert wird, sei er glücklich, auch wenn er jammert und stöhnt.“

Einerseits eine gute Art des Umgangs mit ausweglosen Situationen, findet Heidi Salaverria. „Die gestresste Büroangestellte, die morgens in die überfüllte S-Bahn steigt und den totalen Horror vor dem langen Arbeitstag hat, könnte sich mit dieser Einstellung entspannen.“ Doch impliziert die innere Freiheit nicht äußere Ohnmacht? Epikur beispielsweise hat tatenlos mit angesehen, wie die Griechen gen Makedonien, Syrien und Ägypten expandierten. Wäre es für die gestresste Angestellte nicht besser, sich aktiv für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen als sich zurückzuziehen? „Die Gefahr besteht, passiv zu werden“, gibt Gefert zu Bedenken. „Das wollen wir mit den Zuschauern diskutieren.“

Überhaupt machen die Künstlerphilosophen mit Epikur nur ein Angebot an ihr Publikum. „Es soll keine Vorlesung werden, obwohl es einen Vortrag über die epikureische Glücksauffassung geben wird.“ Wie bereits in ihren Veranstaltungen der vergangenen Spielzeit auf Kampnagel in größerer Besetzung geht es den “DREI“-Mitgliedern um Interaktion. „Wir wollen mit den Menschen über ihre eigenen Werkzeuge zur Erlangung des Glücks sprechen“, betont Gefert, und zwar in der Diskussion, nach Vortrag und Glücksspiel: „Es gibt natürlich auch was zu gewinnen, wir reichen süßes kulinarisches Glück, also Luxus.“

Ganz im Sinne Epikurs wird die Gruppe den Veranstaltungsraum auf Kampnagel als „kontemplatives Schlaraffenland gestalten.“ Denn der alte Grieche liebte es, in seinem Garten zu lustwandeln, zusammen mit Randgruppen übrigens: Sklaven oder Frauen, die wie er das Glück in sich suchten, um ihre Lebenssituation ertragen zu können. Die Angst vor dem Sterben, so der Meister, ist ein großes Hindernis auf dem Weg zur Erlangung der Glückseligkeit. Er schien seine Endlichkeit zu akzeptieren, das gab ihm Ruhe im Leben. Sich um den eigenen Tod zu sorgen, mache keinen Sinn, denn, so Epikur, „solange ich lebe, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, bin ich nicht mehr da.“ Das Prinzip des „carpe diem“ also, so schlicht, so schwierig. Heute Abend jedenfalls wird so einiges pflückbereit von Kampnagelns Decke baumeln. Katrin Jäger

Donnerstag, 20 Uhr, Kampnagel