Tanz den Adolf Hitler – Babapbadeia

Konzertszene Bremen II: Der Heinrichstraßenchor probt sich in einem Ladenlokal der Friesenstraße durch die globale Schlagerwelt

Spickzettel in die Hand und ein bittersüßes Lächeln aufgesetzt. So tanzt sich der ganz in Schwarz gekleidete Mann in Ekstase. Immer wilder schlängelt sich sein athletischer Körper zu dem monotonen „Babapbadeia“ eines sechsköpfigen Chores, der sich hinter ihm auf einem abgewetzten Teppich aufgestellt hat. Seine genießerisch geschlossenen Augen öffnet der Mann nur selten, um vom Zettel die nächste Textzeile abzulesen: „Und klatsch in die Hände! Und tanz den Adolf Hitler!“

Um sich diesem Klassiker der neuen Deutschen Welle, „Der Mussolini“ von DAF, möglichst weit anzunähern, hat Stefan Knappe seine Stimme grotesk verstellt. Der Plattenhändler und Labelbetreiber aus Bremen grollt mit kehligem, brünstigem Bariton die zackigen Befehle durch ein kleines ehemaliges Ladenlokal an der Friesenstraße.

Immer wieder muss er dabei gegen das Lachen ankämpfen, bis nach wenigen Minuten Chorleiter Henning Bosse hervortritt und das Handzeichen zum Aufhören der Probe gibt. Es ist 22 Uhr: Der Heinrichstraßen-Chor muss schweigen, sonst beschweren sich die Nachbarn.

„Wir haben zum Trash ein besonderes Verhältnis“, erklärt Bosse, freischaffender Musiker, nachdem die sieben Frauen und Männer des Chores auf dem Sperrmüll-Mobiliar Platz genommen haben. Sie sind allesamt zwischen Ende zwanzig und Ende dreißig und kommen aus dem alternativen Künstlerspektrum. Ihr Repertoire besteht aus A-capella-Versionen popkultureller Stilblüten – wie Freddy Quinns „Wir“ und Howard Carpendales „Ti Amo“.

„Doch wir sind kein Klamauk-Chor“, stellt Bosse klar. Christian Przygodda, in dessen Atelier geprobt wird, erklärt warum: „Das Komische an unserer Musik ist uns durchaus bewusst. Es muss aber von uns kommen, es darf nicht von vornherein angelegt sein. Das Sich-Aneignen ist wichtig.“

Der Heinrichstraßen-Chor, der sich nach seinem jeweils letzten Auftrittsort immer wieder neu benennt, formierte sich vor etwa einem Jahr. Gründungsmitglied Heike Kleinichen hatte damals ein paar Leute zusammengetrommelt, um Bosse und seiner Frau Marileen zur Hochzeit ein Ständchen zu singen.

Die regelmäßigen Proben machten allen Beteiligten so viel Spaß, dass sie auch nach der Hochzeit – mit Unterstützung des Brautpaares – weitermachten. Ein erfolgreicher Auftritt im Partyraum der Kulturinitiative „Zakk“ weckte den Ehrgeiz der Truppe.

Man begann, wöchentlich statt alle 14 Tage zu proben. Sogar die Sprachmuskulatur wurde trainiert. „Seitdem fragen wir uns häufig, wo wir eigentlich hin wollen“, grübelt Bosse. Die Antwort kommt von Przygodda: „Es geht um das Staunen drüber, wie gut wir eigentlich sind.“ Till Stoppenhagen

Nächster Auftritt: 29. Oktober um 21 Uhr im Karo. Anschließend wird der Heinrich- wohl in Reuterstraßenchor umbenannt