Keine Gewöhnung an den Castor

Ab morgen Abend rollt wieder ein Atommülltransport aus Frankreich ins Wendland. Proteste richten sich nicht nur gegen die Belieferung des Zwischenlagers in Gorleben. Es geht auch darum, wie lange der Müll dort bleibt. Protestler fürchten: für immer

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Hartnäckigkeit kann man der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg und den anderen AKW-Gegnern sicher nicht absprechen. Schon der siebte Castor-Transport in das Zwischenlager Gorleben beginnt morgen Abend, wenn ein Atommüllzug nahe der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague losfährt. Und dennoch werden heute in Dannenberg tausende Castor-Gegner die Protesttage gegen die Lieferung von 12 weiteren Castoren mit hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung einläuten. Damit wird die Castor-Zahl im Brennelementelager auf 44 ansteigen.

In Gorleben wird dann schon mehr als ein Viertel jener 166 Castoren angekommen sein, die die rot-grüne Bundesregierung dort insgesamt unterbringen will. Dennoch müssen den Transport allein im Gebiet zwischen Lüneburg und dem Zwischenlager erneut 13.000 Polizisten schützen. Am Dienstag soll er die Castor-Umladestation in Dannenberg erreichen.

Als Mitte der 80er-Jahre das neben der Castor-Halle gelegene Fasslager Gorleben seinen Betrieb aufnahm, konnte es nach einigen Jahren relativ reibungslos mit schwach- und mittelaktivem Müll beliefert werden. Ab 1996 kamen dann die Castoren dazu. Mit weiteren Castor-Lieferungen wollen sich die wendländischen Aktivisten auch siebeneinhalb Jahre nach der Einlagerung des ersten Behälters nicht abfinden. Von einem Gewöhnungseffekt könne keine Rede sein, versichert etwa BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Die Proteste sollten längst nicht mehr allein die Belieferung des Zwischenlagers mit Castoren behindern oder erschweren. Es gehe auch darum, wie „lange der hochradioaktive Müll hier bleibt“.

In den Augen der Bürgerinitiative vermindert jede weitere Castor-Lieferung in das Zwischenlager die Chancen, dass der hochradioaktive Müll eines Tages wieder abtransportiert wird. Gleichzeitig erhöht sich die Gefahr, dass am Ende im Salzstock Gorleben doch noch ein Endlager eingerichtet wird. Seit 1977 kämpft die BI gegen ein „Nukleares Entsorgungszentrum“ in Gorleben. Gebannt hat sie die Gefahr, dass aus den Atommanlagen dort das deutsche Atomklo wird, längst noch nicht.

Die so genannten Erkundungsarbeiten im Gorlebener Salzstock sind zwar unterbrochen, seit die Bundesregierung ein Moratorium verhängt hat. Aber die Suche nach alternativen Endlagerstandorten kommt nicht voran. Zwar liegen seit langem detaillierte Vorschläge des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd) für eine Standortsuche auf dem Tisch. Der Versuch des Bundesumweltministeriums, im Konsens mit Atomindustrie und Opposition die gesetzlichen Voraussetzungen für das Auswahlverfahren zu schaffen, scheiterte jedoch im Sommer. Union und FDP und vor allem auch die niedersächsische Landesregierung wollten sich gar nicht erst an den Konsenstisch setzen, sondern beharrten auf einer vollständigen Erkundung des Gorlebener Salzstocks, die mit der Fertigstellung des Endlagerbergwerks gleichzusetzen wäre.

Bundesumweltminister Trittin unterstrich im Oktober vor dem Deutschen Atomrechts-Symposium, dass noch in der laufenden Legislaturperiode „das Auswahlverfahren für ein Endlager“ und dessen Finanzierung durch eine Änderung des Atomgesetzes rechtsverbindlich werden sollen. Auf den Weg gebracht ist die Gesetzesänderung noch nicht. Gegenwärtig prüft das Uweltministerium noch, „ob und wie weit“ sie dabei den Empfehlungen des AkEnd folgt. Der BI Lüchow-Dannenberg bleibt so nichts anderes übrig, als bei jedem Castor-Transport auch gegen den Endlagerstandort Gorleben Druck zu machen.