„Ich würde ihr die Füße küssen“

Prozessauftakt gegen einen 59-jährigen gebürtigen Türken aus Bremerhaven. Weil seine Frau zu selbständig wurde, erstach er sie mit einem Schinkenmesser

Bremen taz ■ Ihrer heute siebenjährigen Tochter hat das türkischstämmige Ehepaar S. aus Bremerhaven den Namen Kaya gegeben. „Kaya“ heißt auf Türkisch „Schicksal“. Gestern wurde der 59-jährige Vater des Mädchens, Mevlüt Y., vor dem Bremer Landgericht des „heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen“ an seiner Ehefrau Sengul Y. angeklagt. Nicht nur das Schicksal der Tochter verläuft seitdem in ganz anderen Bahnen.

Der Angeklagte, der unter hohen Sicherheitsvorkehrungen zur Verhandlung begleitet wurde, konnte die Tat nicht leugnen. Vor den Augen von Nachbarn und Bekannten stach er am 25. Mai 2003 seine um 17 Jahre jüngere Ehefrau nieder. Erst seit kurzem lebte sie von ihm getrennt mit zwei Söhnen aus erster Ehe und der gemeinsamen Tochter. Mit einem Schinkenmesser, das er nach einem Streit in einem der Wohnung benachbarten Plus-Markt im Stadtteil Grünhöfe gekauft hatte, stach er zehnmal auf sein Opfer ein. Die Frau verstarb am Tatort. Mevlüt Y. stellte sich aufgelöst der Polizei.

Zeugen wurden beim gestrigen Prozessauftakt nicht verhört, aber aus den Nachfragen des Richters Helmut Kellermann erschloss sich die Vorgeschichte der Bluttat. „Weil meine Frau angefangen hat, zu arbeiten, hörte sie auch nicht mehr auf mich“, gab er seine Vorstellungen einer geglückten Ehe preis. Der Richter verlas Vorwürfe, er habe seine Frau geschlagen und bedroht. Auch seine erste Frau habe er unter Alkoholeinfluss geschlagen. Der Angeklagte, dem ein Dolmetscher zur Seite stand, leugnete das meiste. Er habe seine zweite Frau „angeschaut wie eine Heilige“. „Wenn sie mir gegenüberstehen würde, würde ich ihr die Füße küssen und mich tausendmal entschuldigen“, erklärte er unter Tränen.

Drei erwachsene Kinder aus erster Ehe wohnten dem gestrigen Verhandlungsauftakt bei. „Welches war ihr erstes Kind“, fragte der Richter den Angeklagten. „Ramazan“, antwortete der Angeklagte. „Töchter zählen für sie wohl nicht“, mutmaßte der Richter, denn auch bei einer früheren Vernehmung soll er die ein Jahr vorher geborene Tochter vergessen haben.

Der Angeklagte lebt seit 1969 in Deutschland. Nach langen Arbeitsjahren als Schweißer auf der Bremerhavener Seebeck-Werft arbeitete der eingebürgerte Deutsche auf Montage in vielen Städten. Ein Arbeitsunfall zwang ihn ein Jahr vor dem Verbrechen in die Untätigkeit. „War das vielleicht der Auslöser für die Krise?“, fragte der Richter „Nein“, sagte der Angeklagte erneut, „es ist, weil meine Frau gearbeitet hat.“ hey