Homöopath und Physiotherapeut

Wo kommen wir denn hin, wenn die Patienten alles besser wissen? Man sollte sich einfach dumm stellen …

Die letzten drei Tage habe ich mit einer Erkältung im Bett verbracht. Der Kopf tat mir weh, der Rücken tat mir weh, eigentlich tat mir alles weh. Ich suchte dann meinen Physiotherapeuten auf und meinen Homöopathen, obwohl ich eine Abneigung gegen alles habe, was hinten mit „-peut“ oder mit „-path“ aufhört, weil mich immer der Gedanke beschleicht, es könnte was Ansteckendes sein. Oder mit „-loge“.

Der Kardiologe war nämlich auch so einer. Ich war zu ihm gegangen, um mir eine jährlich fällige Computertomogramm-Analyse machen zu lassen, und dachte mir, wenn ich da schon hingehe, kann ich ihn auch was fragen.

Das war natürlich ein Irrtum! Es lagen ihm zwar alle meine Daten vor, aber als ich wissen wollte, warum ich diese blöden Betablocker immer einnehmen muss, sagte er: „Ja, das ist so: Wir beobachten genau, ob Ihr Dingsbums …“ – ich nenne die Krankheit nicht mit Namen; ich bin doch keine Psychopathin – „… größer wird und dann operieren wir …“ Ich wagte doch tatsächlich, ihm zu sagen, dass dies bereits vor fünf Jahren geschehen war. Er raschelte mit den Papieren, sagte: „Ähem, ja ja …“ und teilte mir dann mit, es gebe heute eine neue Methode, nämlich einen so genannten Dings und den könne man mir dann einsetzen. Triumphierend sagte ich ihm, dass dies bereits vor drei Jahren gemacht worden wäre. Da hatte ich natürlich bei ihm verschissen.

Zu allem Überfluss bemerkte ich dann noch, dass ich häufig unter Herzklopfen leide, was er mit den Worten: „Von den Betablockern kann das aber nicht kommen!“, was ich sofort mit: „Das stand aber auf dem Beipackzettel!“ kommentierte. Da war natürlich alles aus. Wo kommen wir denn hin, wenn die Patienten alles besser wissen! Ich muss mir wohl einen neuen Kardiologen suchen. Und mich dumm stellen, was mir eigentlich ganz leicht fällt, obwohl ich mir da immer vorkomme, als ob ich in einem Film der Fünfzigerjahre mitspiele.

Meine Oma, die fast neunzig wurde, die letzten Jahre aber leider unter Alzheimer litt, hielt es auch für ausgemacht, dass sie ständig gefilmt würde. Wenn sie sich allein glaubte, machte sie kleine gezierte Gesten und sagte mit hoher Stimme. „Ach nein, das wäre doch nicht nötig gewesen …“ Das erinnerte mich sehr an meine Kinderzeit (Der liebe Gott sieht alles!), als ich dachte, der kann ja wohl nicht die ganze Zeit gucken, dazu hätte er wohl zu viel zu tun, aber als dann Videos aufkamen, glaubte ich, er lässt Videos von all dem machen, was ich unter der Bettdecke trieb und würde sich die Dinger dann reinziehen, wenn er frei hätte. Ich nehme mal an, dass das hoffentlich nicht stimmt.

Außerdem wähnte Oma sich in einem Hotel, hielt mich für das Zimmermädchen und beobachtete mit Argusaugen, ob ich ihr beim Bettenmachen nicht irgendwas klaue.

Opa hielt sie für den Hausdiener und wusste sogar noch seinen richtigen Namen: Wilhelm. „Willem, Willem!“, schrie sie nachts. Er wälzte sich dann aus dem Bett und murmelte: „Du siehst ja aus wie das Leiden Christi zu Pferde!“

Mir gegenüber, die ich ja nur das Zimmermädchen war, sagte sie dann allerdings gern Wörter wie „Physiotherapeut“ oder „Homöopath“, weil das, glaube ich, das Letzte ist, was Menschen immer noch drauf haben, auch wenn sie schon komplett verrückt sind – nämlich andere Leute beeindrucken zu wollen.

FANNY MÜLLER