Kopftuchverbot ohne Grundlage

Schreiben aus der Schulverwaltung verfügt: Lehrerinnen dürfen kein Kopftuch tragen. Das widerspricht dem Urteil des Verfassungsgerichts vom September

Es ist ein förmliches Schreiben, dass die rund 160 Schulen des Berliner Bezirks Mitte am Montag erreichte: Auf Grund der „momentanen internationalen Lage“ habe man verstärkt „fundamentalistische Tendenzen“ im Umfeld der Schulen feststellen müssen. Deshalb, so die brisante Aufforderung des Briefes, der der taz vorliegt, sei das Tragen von Kopftüchern bei der Unterrichtung oder Betreuung von Schülern zu untersagen – notfalls könnten die Schulleiter dafür auch von ihrem Hausrecht Gebrauch machen.

Das Schreiben trägt den Briefkopf der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport – auch wenn die erst mal nicht viel mit dem Brief anzufangen weiß. Man kenne das Schreiben nicht, da es von dem Dienststellenleiter des Bezirks Mitte verfasst worden sei. Aber: Inhaltlich sei man völlig einverstanden mit der Aufforderung, möglichen Antragsstellern das Tragen von Kopftüchern im Unterricht zu verbieten. „Das war schon immer die Rechtsauffassung in Berlin, und die hat sich auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht geändert“, so eine Sprecherin. Zusammen mit der Senatsverwaltung für Inneres sei man dabei, eine gesetzliche Regelung zu erarbeiten, die voraussichtlich Anfang des nächsten Jahres in Kraft trete.

Dass das Bundesverfassungsgericht bis dahin jegliches Verbot für rechtlich nicht zulässig erklärt hat, scheint die Senatsverwaltung dabei nicht weiter zu stören. Zwar gebe es weder in der Vergangenheit noch aktuell einen solchen Fall. Aber man ist sich sicher: „Im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung würden wir es da auch auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen.“

Eine Aussage, die bei Experten und Betroffenen Kopfschütteln auslöst. „Ich verstehe nicht, was die Senatsverwaltung da macht“, wundert sich etwa Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin. „Ohne eine gesetzliche Regelung ist jedes Verbot willkürlich, da halte ich mich ganz obrigkeitshörig an den Spruch des Bundesverfassungsgerichts.“ Thöne hofft gleichzeitig, dass es im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung endlich zu einer offenen Diskussion kommt, „wie das mit der Trennung von Kirche und Staat generell aussieht“.

Auch bei dem Landesbeauftragten für Integration und Migration, Günter Piening, hat man von der merkwürdigen Anordnung aus der Senatsvewaltung schon Wind bekommen. Ihm liege das Schreiben der Senatsverwaltung seit gestern vor, so Piening zur taz. Trotzdem hält sich der Integrationsbeauftragte vorerst bedeckt: Man wolle erst prüfen, ob es sich hierbei um einen Alleingang handle oder ob es mit der Schulverwaltung abgesprochen sei. Eines aber sei unmissverständlich: „Diese Anordnung ist ganz klar rechtswidrig.“

SUSANNE AMANN