Besser Lernen mit der Peitsche

Das neue Zuwanderungsgesetz löst bei den Volkshochschulen im Revier Ärger aus. Sie wünschen sich weniger Druck und mehr Hilfe für Einwanderer. Auch die Bürokratie sei laut VHS zu aufgeblasen

VON NATALIE WIESMANN

Kurz vor dem Inkrafttreten des neuen bundesweiten Zuwanderungsgesetzes stehen Pflichtdeutschkurse für Einwanderer auch im Ruhrgebiet stark in der Kritik: Volkshochschulen und andere Anbieter halten die Organisation der so genannten Integrationskurse für zu bürokratisch und die Anforderungen an die TeilnehmerInnen für zu hoch.

In Duisburg erprobt ein Netzwerk aus MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde und Anbietern von Deutschkursen seit zwei Jahren die neuen Integrationsregeln. Ein Ergebnis: Die abschließende Prüfung „Zertifikat Deutsch“ nach sechsmonatigem Intensivkurs schafft nur etwa ein Viertel der TeilnehmerInnen. „Das sind meistens Menschen mit einem niedrigen Bildungsstand“, weiß Barbara Aldag, stellvertretende Leiterin der Volkshochschule Duisburg. Die größte Gruppe in ihrer Stadt seien nachgezogene Ehepartner. Bei Absolventen von Teilzeitkursen, die sich über mehrere Jahre erstrecken, sei die Erfolgsquote zwar ein bisschen höher. Aber eines ist für Aldag unbestritten: „Unter diesem Druck lernt niemand besser“.

Sybille Haußmann, migrationspolitische Sprecherin der Grünen ist froh, dass es eine Sprachkurspflicht gibt. Sie glaubt anders als die Volkshochschulen, dass die neue Situation den Lernwillen der Betroffenen steigern wird. „Immerhin steht das Niederlassungsrecht auf dem Spiel“, sagt sie. Doch müssten für die KursteilnehmerInnen unter anderem noch Kinderbetreuungsplätze organisiert werden. „Die Landesregierung darf die Kommunen nicht alleine lassen.“

Alleine lassen dürfe man vor allem nicht die neuen Mitbürger, findet Aldag von der VHS Duisburg. In ihrer Stadt wurde für sie eine Anlaufstelle eingerichtet, in der eine Sprachexpertin den Lernstand der Neuankömmlinge misst und über neue Sprachkurse informiert. „Wenn man den Menschen einfach nur eine Liste in die Hand drückt und sie bei den ersten drei Stellen keinen Erfolg haben, geben sie schnell auf“, sagt Aldag. Aber eine solche Starthilfe ist im Zuwanderungsgesetz nicht vorgesehen.

Vorgesehen ist stattdessen für die Auswahl der zugelassenen Kursträger eine 18-köpfige „Bewertungskommission“ unter Vorsitz des Bundesinnenministeriums. Für die Volkshochschulen ein bürokratischer Wasserkopf: Man begrüße die Qualitätsprüfung einerseits, so der Deutsche Volkshochschulverband in einer Stellungnahme Anfang Oktober: „Das Zulassungsverfahren und die Anforderungen an die Kursträger sind jedoch dermaßen kompliziert und kleinteilig, dass ein unnötig hoher Verwaltungsaufwand entsteht“. Auch die Koordinierung und Steuerung der Kurse durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge halten die Bildungsträger für zu aufwändig.

Gespart wird dafür bei den Ausgaben für die Deutschkurse: Neuzuwanderer werden nicht nur dazu verpflichtet, sie müssen sich auch finanziell an den Kursen mit einem Euro pro Unterrichtsstunde beteiligen. „Die Bundesregierung will uns weismachen, zukünftige Einwanderer seien alle finanziell besser gestellt als bisher und akademisch“, sagt Rabia Sprenger von der Fachbereichsleiterin Deutsch als Fremdsprache bei der VHS in Essen. Auch so genannte Bestandsausländer – länger hier lebende Migranten –würden zu Kursen verpflichtet; dabei „gehören die nun wirklich nicht einer privilegierten Schicht an.“ Für diese seien die 600 Euro Kursgebühr eine erhebliche Summe Geld.