Ein Gandhi der etwas anderen Art

Varun Gandhi, Urenkel von Indiens erstem Ministerpräsidenten Nehru, tut sich mit rassistischen Sprüchen gegen Muslime hervor. Deshalb sitzt er jetzt in Gewahrsam. Seine Familie hatte ihn verstoßen. Aufnahme fand er bei den Hindunationalisten

AUS DELHI SASCHA ZASTIRAL

Der Gefangene wurde zum Sicherheitsrisiko: In der Nacht zum Mittwoch holten Polizisten den jungen Mann aus seiner Gefängniszelle im nordindischen Pilibhit, luden ihn in einen weißen Van und rasten mit ihm 200 Kilometer durch die Nacht. Polizeiwagen mit Blaulicht begleiteten die Verlegung, die eiligst angesetzt worden war, um Ausschreitungen zu verhindern. Denn der Gefangene ist der Politiker Varun Gandhi, Indiens derzeit prominentester Häftling.

Der 29-Jährige befindet sich seit Sonntag wegen einer beispiellosen Hetzrede gegen Muslime in Haft. Varun ist ein Enkel von Indira Gandhi und somit eigentlich mit der mächtigen Gandhi-Nehru-Politikerdynastie verbunden. Doch sein Teil der Familie wurde nach Streitigkeiten vor Jahren aus Indiens vielleicht einflussreichstem Familienclan ausgestoßen. Damals schloss er sich den Gegnern der Kongresspartei an: Er wurde Mitglied der hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP).

Die erkannte das Potenzial, das ein „Gandhi“ für sie haben könnte. Varun Gandhi stieg schnell in Vorstand der BJP auf und wurde über Nacht zum Star der Hindunationalisten. Doch der junge Politiker überspannte im Wahlkampf den Bogen. Bei einer Rede in seinem Wahlkreis Pilibhit im Bundesstaat Uttar Pradesh hetzte er Anfang März offen gegen Muslime: Sollten diese es wagen, gegen Hindus „den Finger zu erheben“, solle man ihnen „die Hand abhacken“. Diesen Menschen gehöre „die Kehle durchgeschnitten“.

Eine CD mit Aufnahmen der Rede landete bei mehreren Fernsehsendern. Die Wahlkommission des Landes wurde sofort aktiv. Denn religiös aufgeladene Reden sind im säkularen Indien verboten. Zu oft haben in der Vergangenheit Hetzreden Gewaltspiralen in Gang gesetzt, an deren Ende es zu schweren Unruhen kam. Daher erließ der Bundesstaat Uttar Pradesh Haftbefehl gegen Varun Gandhi und ließ ihn zudem unter dem „Nationalen Sicherheitsgesetz“ (NSA) festnehmen, das eigentlich bei Terroranschlägen greift. Gandhi könnte nun bis zu einem Jahr festgehalten werden.

Am Sonntag stellte sich Gandhi in Pilibhit den Behörden. Er erklärte jedoch, die Aufnahmen seien manipuliert worden. Er habe diese Worte nie in den Mund genommen. Seine Partei stellte sich vorbehaltlos hinter ihn. Die Festnahme sei ein „politisches Komplott“, die Vorwürfe seien erfunden.

Sofort nach der Festnahme gingen BJP-Aktivisten und Anhänger mehrerer Hindu-Organisationen auf die Barrikaden und lieferten sich in Pilibhit schwere Straßenschlachten mit der Polizei. Für den Mittwoch riefen die BJP und der fanatische „Welthindurat“ (VHP) erneut zu Protesten und zu einem Streik auf – weswegen Gandhi mitten in der Nacht so eilig an einen anderen Ort verbracht wurde.

Mit seiner Hetzrede hat Gandi den Ton der BJP getroffen. Denn die Hindunationalisten, die in Indien von 1998 bis 2004 schon einmal die Regierung gestellt haben, sind nach Wahlschlappen bei verschiedenen Landtagswahlen wieder auf Stimmenfang am rechten Rand.

BJP-Oppositionsführer Lal Krishna Advani kündigte kürzlich an, seine Partei werde nach einem Wahlsieg „endlich“ den Ram-Tempel auf der Ruinen der Babri-Moschee in Ayodhya errichten. 1992 hatten seine Anhänger die jahrhundertealte Moschee dem Erdboden gleichgemacht. Schwerste Ausschreitungen mit tausenden Toten waren die Folge. Erst vor wenigen Tagen stellte Advani im ostindischen Bundesstaat Orissa einen Mann als Kandidaten auf, der im Gefängnis sitzt, bei Pogromen Mobs angeführt und Christen ermordet haben soll.