Nordmilch unter Druck

Für die einen „überfällig“, für die andern „eine Katastrophe“: Deutschlands größter Milchverarbeiter streicht über 1.000 Stellen und will wieder wettbewerbsfähig werden

Bremen taz ■ „Längst überfällig“, so lautet das Urteil eines Milchbauern über die anstehenden Sparpläne bei Nordmilch – der größte deutsche Milchverarbeiter, mit derzeit noch 21 Zweigwerken in Norddeutschland, will elf Werke schließen und über 1.000 von 4.400 Stellen abbauen.

Der Milchbauer, der all das „längst überfällig“ findet, heißt Fritz Stegen und ist nicht nur einer von rund 12.000 Anteilseignern der Nordmilch-Genossenschaft, sondern auch Präsident der Landwirtschaftskammer Hannover und Vorsitzender des Nordmilch-Beirats, eines Mittlergremiums zwischen Management und Genossenschaftlern. Stegen geht es um seine Existenz und die seiner Kollegen: „Mit diesem Milchauszahlungspreis komme ich nicht zurecht. Noch ein Jahr und ich könnte meinen Hof dichtmachen.“ Nordmilch bezahlt seinen Milchlieferanten zwei bis zweieinhalb Cent pro Kilo Milch weniger als die Konkurrenz. An den Rändern des Nordmilch-Reviers gehen die Bauern laut Stegen von der Fahne. Doch im Kernland des Milchriesen, zwischen Weser und Elbe, haben sie wenige Alternativen.

Und Nordmilch will seine Milch- und Kapitalgeber halten. Also muss mehr Geld her – 80 bis 100 Millionen Euro pro Jahr, so das Ziel des neuen Vorstands um Stephan Tomat. Bei rund vier Milliarden Kilo Milch, die der Konzern jährlich verarbeitet, ist das genau die Summe, die Nordmilch seinen Bauern mehr zahlen müsste, bei zwei bis zweieinhalb Cent mehr pro Kilo.

Die ersten sechs Standorte, die dicht gemacht werden, stehen fest: Ende 2004 sollen die Werke in Otterndorf (Kreis Cuxhaven) und Seckenhausen bei Bremen schließen, dann die Stätten in Neubörger (Kreis Emsland) und Strückhausen (Kreis Wesermarsch) sowie in Bützow (Mecklenburg-Vorpommern) und Schleswig. Zudem will Nordmilch sein derzeit rund 3.600 Produkte umfassendes Angebot verkleinern. „Der Markt ist unter Druck“, erklärt Nordmilch-Sprecher Hermann Cordes. Auf dem deutschen Markt macht der Trend zum Discounter dem Unternehmen zu schaffen, in Europa ist es der Abbau von Handelsschranken, der den Wettbewerb verstärkt. Was Cordes nicht sagt, aber Insider offen zugeben, ist, dass Nordmilch zu teuer produziert und offenbar zu viel Verwaltung hat. Das Unternehmen ist 1999 aus einer Fusion der norddeutschen Molkereien MZO, Nordmilch, Hansano und Bremerland entstanden und hatte in den vergangenen Jahren bereits 600 Jobs gestrichen.

Für die Beschäftigten sind die neuen Pläne „eine Katastrophe“, so Betriebsratsvorsitzende Hannelore Fänger, „wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen.“ Aber: „Inwieweit uns das gelingt, ist eine andere Frage.“

Susanne Gieffers