kommentar
: Trotz täglicher Verluste im Irak: Ami, bleib da!

In Washington wird bereits gewettet, wann die Amerikaner den Irak verlassen werden. Der gestrige Abschuss eines US-Helikopters und der Tod von 15 GIs erhöhen die Chancen derer, die auf kommenden Sommer setzen.

Vorerst gibt Präsident George W. Bush zwar weiter Durchhalteparolen aus. Doch seine fortwährende Beteuerung, die USA würden nicht vorschnell aus dem Irak abziehen, signalisiert, dass die Debatte um die Exit-Strategie innerhalb der Regierung längst geführt wird. Wichtigster Grund: Der Kampf um die Präsidentschaft hat begonnen. Daher werden nun alle politischen Entscheidungen auf ihre Wahltauglichkeit abgeklopft. Eine Situation, in der täglich zwei oder gar mehr US-Soldaten im Irak sterben, kann Bush innenpolitisch nicht lange durchhalten.

Der Ruf „Bring Our Boys Home“ wird lauter. Regierung und Opposition sehen sich einer wachsenden Volksbewegung gegenüber, die die Zelte im Irak jetzt abbrechen will. Wer traut sich als Erster, auf den fahrenden Zug aufzuspringen? Diese Frage könnte den Urnengang 2004 entscheiden. Bislang forderte nur der linke Bush-Herausforderer Dennis Kucinich die sofortige Heimkehr der GIs. Nun aber ist auch der aussichtsreiche demokratische Kandidat Howard Dean nur noch eine Haaresbreite von dieser Forderung entfernt. Da den Demokraten dank des unerwarteten Wirtschaftswachstums gerade ein Thema verloren geht, ist zu erwarten, dass auch andere Anwärter in diesen Chor einstimmen werden.

Und wenn die Bush-Strategen selbst mit der Idee aufwarten, Irak den Irakern zu überlassen? Dann würden sie den Demokraten den Wind aus den Segeln nehmen. Zudem wären die Wünsche der UNO, der Franzosen und der Deutschen erfüllt. Aber ein überstürzter Abzug birgt das Risiko von Bürgerkrieg und Instabilität – Bedingungen, von denen Terroristen träumen. Wer wird dann die Scherben zusammenkehren? Bush wird anführen, er habe nur einen Diktator gestürzt. Die UNO kann und will nicht intervenieren. Deutschland und Frankreich möchten auch keine Soldaten opfern. Gelänge Bush mit dem Rückzug die Wiederwahl, dann würde seine Regierung nicht einmal für ihren unsinnigen Präventivkrieg bestraft.

Es ist Zeit, dass Paris und Berlin ihre kurzsichtige Opposition gegen die US-Besatzung überdenken. Sie sollten Bush beim Wort nehmen und fordern, dass Amerika bleibt. So lange, bis der Irak eine stabile Nation mit funktionierenden demokratischen Institutionen ist. MICHAEL STRECK