Mangel an Besessenheit

„Leider Gottes“: Als das letzte Stündlein von Klaus Toppmöller als HSV-Trainer schlug, ließ sich sein Team vom Aufsteiger Bielefeld cool auskontern

Aus HamburgMarkus Jox

Es war ein Abgang ohne Worte. Unmittelbar nachdem Schiedsrichter Wolfgang Stark das Bundesliga-Heimspiel des Hamburger SV gegen Arminia Bielefeld am späten Samstagnachmittag abgepfiffen hatte, stürmte HSV-Trainer Klaus Toppmüller durch den Spielertunnel in Richtung Kabine. Wortlos und das Gesicht zur Faust geballt stapfte der Mann an der hinter einer Absperrung geiernden Medien-Meute vorbei und würdigte diese keines Blickes. Und kein Reporter wagte es Toppmöller anzusprechen. Die Luft in den Katakomben der AOL-Arena war nicht nur dick, sie war bleihaltig.

Eine Viertelstunde später, auf der üblichen Pressekonferenz, musste sich der bediente Toppmöller dann auch noch von Gästetrainer Uwe Rapolder öffentlich Honig um den Bart schmieren lassen: die Höchststrafe. „Noch nie in dieser Saison sind wir auswärts so unter Druck gesetzt worden wie in der ersten Halbzeit vom HSV“, schwadronierte der Coach des Aufsteigers, der nun drei Auswärtsspiele hintereinander gewinnen konnte. Toppis Team sei „moralisch absolut intakt“ und „gut organisiert“, ging die Demütigung weiter. Das Bielefelder Erfolgsrezept wiederum fasste Metaphernschmied Rapolder wie folgt zusammen: „Vor allem in der zweiten Halbzeit sind wir engmaschig gestanden und haben unsere Konter gut gefahren.“

Was im kurpfälzisch-weichen Idiom Rapolders so nett daherkam, muss der HSV-Trainer wie Peitschenhiebe empfunden haben. Dabei hatte das Spiel gar nicht schlecht begonnen für die Hanseaten: Vor allem Emile Mpenza, aber auch Naohiro Takahara und Christian Rahn kamen zu hochkarätigen Torchancen – und vergaben allesamt. Gegen Mitte der zweiten Halbzeit dann, als Patrick Owomoyela in der 57. und Delron Buckley in der 65. Minute Bielefeld mit 2:0 in Führung geschossen hatten, war weit und breit kein Aufbäumen mehr in Sicht. Insbesondere in der Abwehr-Viererkette, in die Toppmöller mit dem Mute der Verzweiflung Sergej Barbarez mit aufgenommen hatte, stimmte wenig – von Zuordnung und Spielübersicht ganz zu schweigen. Das Offensivspiel des HSV wiederum – stier nach vorne gedroschene Bälle – erinnerte in den letzte Minuten der Ära Toppmöller an einen im Stadion gesendeten Bierwerbespot, in dem sich der Spieler Takahara bemüht, ein Pils mit Stäbchen zu verzehren. Der Verzweiflung nahe über diese Angriffsmisere blendete die Bildregie in der AOL-Arena immer öfter den auf der Tribüne hockenden Rekonvaleszenten Benny Lauth ein.

Die Einlassungen Klaus Toppmöllers nach dem Schlusspfiff kamen einer matten Melange aus Weinerlichkeit und Trotz gleich: Der Trainer räsonierte über die „völlig unbefriedigende Tabellensituation“ und stellte resigniert fest: „Es hat halt leider Gottes nicht gelangt, Bielefeld zu schlagen.“ „Unsere Situation ist sehr, sehr ernst“, sagte Toppmöllers Vorgesetzter Dietmar Beiersdorfer, wobei ungeklärt blieb, wie diese Worte aus dem zu einem äußerst schmalen Strich gepressten Mund des bleichgesichtigen Sportdirektors überhaupt hatten herausdringen können. Woran es liege, dass der HSV auf dem letzten Tabellenplatz steht, wurde der Funktionär gefragt. Beiersdorfer schaute abwesend ins Nichts und murmelte: „Der letzte Biss fehlt uns, die letzte Besessenheit zum Erfolg ist nicht da.“ Sprach‘s, machte kehrt und ging fort, um die Entlassung des Trainers in die Wege zu leiten.

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