Sammelsurium, belanglos

Patchwork aus Farben und Lichtern: Branko Simic inszeniert auf Kampnagel „Mordkomplex“

Die leuchtende Skyline auf der Leinwand erinnert an Amerika. Die Freiheitsstatue wiegt ein Kind im Arm, das Chrysler-Building gleicht einem riesigen Schwanz: Fuck Globalization. Mariola Brillowskas Trickfilme sind so kunstvoll, clever und voll bitteren Humors, dass sie noch als Standbild jede Performance aufwerten. Die Figuren dazwischen sind leblos. Entindividualisiert vegetieren sie vor sich hin – und werden zu vergnügungssüchtigen Mördern.

In der Uraufführung ihres Schauspiels Mordkomplex, inszeniert von Branko Simic, will Autorin und Kampnagel-Dramaturgin Eva Maria Stüting ein Täterprofil anhand der Ahnenreihe Woyzeck, Medea, Raskolnikov erstellen. Und verquirlt dabei drei Mordgeschichten zu einem reichlich wüsten Plot, angesiedelt in einer „fiktiven Metropole“.

Jörg Kleemann als Dostojewskis armer Student Raskolnikov aus Schuld und Sühne spaltet einer Puffmutter den Schädel. Woyzecks Hauptmann Jugo heuert in der Diskothek der Chefin an und meuchelt aus Eifersucht seine Freundin Marie. Zu guter Letzt wird die Chefin noch zur Rächerin an ihrem Gatten Jason.

Simic wie auch Stüting setzen auf Opulenz statt Konzentration. Ein Patchwork der Farben und Lichter ist aus dem Stück geworden. Doch die realistische Darstellung verkehrt die blutroten Geschehnisse ins Aschfahle. Nichts Menschliches scheint mehr durch. Die Begegnungen verharren im Maschinellen. Und damit an der Oberfläche. Die stimmgewaltige Sängerin Marion Campbell ersetzt einen ganzen Chor, geradezu penetrant unterstützt von der unaufhaltsam dahintuckernden Tonspur von DJ Viktor Marek und seiner aus dem Off abgegebenen Kommentare. Ähnlich gleichmäßig plätschert die Handlung dahin: In jeder Ecke geschieht etwas. Selten ist es von Belang. So entsetzlich kann sich Heimatlosigkeit anfühlen.

Heimatlos wirken leider auch die Darsteller, wenn sie Sätze von fragwürdigem Sinn („Sie sind hinter mir her. Oh, je, was soll nur werden?“) von sich geben und sich wie apathische Drogenzombies benehmen. Jörg Kleemann, im Thalia in der Gaußstraße mehrfach positiv aufgefallen, liegt die meiste Zeit im Bett mit dem Gesicht zur Wand. Von allen auf der Bühne könnte er noch am ehesten gegen diesen Gemischtwarentext an. Aber er hat kaum eine Chance. Und so bleiben die wirklich gelungenen Szenen des Abends den Trickfilmen vorbehalten. Caroline Mansfeld

Nächste Vorstellungen: 16., 20., 21., 23., 24. 10., 20 Uhr, Kampnagel