Der Stabschef des Kreml quittiert den Dienst

Alexander Woloschin reicht aus Protest gegen die Verhaftung des Ölmilliardärs Michail Chodorkowski den Rücktritt ein

BERLIN taz ■ Die Verhaftung des russischen Ölmilliardärs und Chef des Jukos-Konzerns, Michail Chodorkowski, zieht im Kreml erste personalpolitische Konsequenzen nach sich: Wie jetzt bekannt wurde, reichte der Stabschef des Kreml, Alexander Woloschin, am vergangenen Sonnabend bei Staatschef Wladimir Putin seinen Rücktritt ein.

Das berichtete gestern die Tageszeitung Wedomosti. Am Dienstag hatte auch der Radiosender Echo Moskvy unter Berufung auf Kreml-Kreise den Abgang des Finanzfachmannes vermeldet, die Nachricht aber kurz darauf wieder zurückgezogen.

Ein offizieller Kommentar aus Putins Amtssitz lag bis gestern nicht vor. Zur Begründung hieß es, Woloschin protestiere mit seiner Entscheidung gegen den Umstand, dass er über die Verhaftung Chodorkowskis am vergangenen Sonnabend nicht vorab informiert worden sei.

Von Putins Vorgänger Boris Jelzin ernannt, bekleidete Woloschin den einflussreichen Posten seit März 1999. Der ehemalige enge Vertraute des einstigen Medienmoguls und Millionärs Boris Beressowski galt bislang stets als Repräsentant und Verteidiger der Interessen des Jelzin-Clans. Beobachter in Moskau werten den Rückzug Woloschins als weitere Etappe im Kampf der so genannten Familie und der neuen machtvollen Kremlgruppe um Wladimir Putin.

Für den Fall, dass Putin den Rücktritt Woloschins annimmt, sieht der Politologe Sergei Markow nicht nur die von Woloschin betreute Wahlkampagne des Kreml in Gefahr, sondern auch Anzeichen für eine schwere Krise des politischen Systems: „Sein Rücktritt wird zu einer Stärkung des totalitären Regimes führen. Wenn das System Woloschins einer ‚gemanagten Demokratie’ schon nicht funktioniert hat, so werden wir nach seinem Rückzug keinesfalls mehr Demokratie bekommen.“ BARBARA OERTEL

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