„Das ist Work in Progress“

RBB-Fernsehdirektor Gabriel Heim setzt auf leichtere Kost in der Vorabendschiene, will bei der Kulturberichterstattung punkten und zu freien Mitarbeitern „dynamischeres Verhältnis“ entwickeln

Interview STEFFEN GRIMBERG

taz: Herr Heim, am 10. November startet das gemeinsame RBB-Vorabendprogramm – mit dem ersten Boulevard-Format in einem ARD-Dritten. Ist das nicht verpönt?

Gabriel Heim: Sie können den Boulevardbegriff ruhig sehr weit fassen und getrost davon ausgehen, dass er bei uns etwas mit Substanz und Qualität zu tun hat. Auch Boulevard kann man gut machen. Wir möchten Gesprächswert, Informationswert und Nutzwert miteinander verbinden – und orientieren uns dazu an der TV-Nutzung zu dieser Tageszeit. Und da ist etwas leichtere Kost angesagt – von der Qualität her soll es aber guter, öffentlich-rechtlicher Journalismus sein.

Wo also zwischen „Brisant“ und „Explosiv“?

Ach, ich habe da keine nach oben offene Richterskala. Das ist ja auch immer eine Wahrnehmungsfrage. Uns geht’s darum, einen eigenen regionalen Zugang zu finden. Wie der Name schon sagt: „zibb, zu Hause in Berlin und Brandenburg“.

Apropos neues Programm: Ursprünglich sollte ja auch der Sandmann dran glauben. Hat Sie Volkes Zorn überrascht?

Ja, damit hatte ich nicht gerechnet. Das war eine interessante Erfahrung auf vielen Ebenen, frei nach dem Motto: „Willkommen in Berlin“. Aber wir haben ja eine sehr pragmatische Entscheidung getroffen, da können wir ein Häkchen machen. Obwohl ich nach wie vor der Meinung bin, dass der Sandmann seinen richtigen Platz im Kinderkanal hat.

Bei Polylux fehlte der Haken bisher ja auch noch …

Wir haben sehr positive Signale aus der ARD: Wir sind aufgefordert, Polylux weiter zu entwickeln und können voraussichtlich Anfang nächsten Jahres ein Angebot für eine solche Sendung mit neuem Absender und innovativem Charakter machen. Das ist Work in Progress.

Heißt „neuer Absender“ nicht mehr Tita von Hardenberg?

Das weiß ich nicht. Ich habe das nicht auf die Moderation bezogen. Nur: Bisher war Polylux eine Sendung des ORB, jetzt ist der Absender der RBB. Und in dem Zusammenhang müssen wir über die Formatierung und den Sendeplatz nachdenken.

Warum will der RBB eigentlich nicht stärker in die große Politik? Das ARD-Haupstadtstudio dominiert klar der WDR.

Na ja, das ist eben eine Gemeinschaftseinrichtung. Wir haben zwei RBB-Kollegen im Hauptstadtstudio, dann ist da noch „Kontraste“ als politisches Magazin mit Absender RBB. Wir werden sicherlich bei der Kulturberichterstattung Terrain zurückgewinnen wollen. Das kann sich dann aber nicht auf Berlin konzentrieren, wir wollen im neuen Europa Richtung Osten gucken. Hier werden wir übrigens auch politisch unsere Duftmarke setzen wollen. 2004 übernehmen wir wieder den ARD-Korrespondentenplatz in Warschau.

Was hat Sie bisher am meisten überrascht – neben dem Sandmann?

Die Offenheit. Die Klarheit in der Diskussion. Die Lust auf Veränderung. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich unheimlich ins Zeug gelegt, neben der Entwicklungsarbeit, die bestehenden Programme weiter zu fahren.

Nur können Sie gar nicht alle diese KollegInnen weiterbeschäftigen, wenn aus zwei TV-Programmen eins wird.

Na ja, was heißt denn: Man braucht weniger Leute? Es ist eine Binse, dass wir über mehrere Jahre den Personalbestand des RBB verringern müssen. Das ist aber keine Aufgabe, die die Programmdirektion Fernsehen allein zu leisten hat.

Und die Freien?

Wir werden ein dynamischeres Verhältnis zu freien Kolleginnen und Kollegen entwickeln müssen. Auch zu denen, die schon länger und eng mit dem Haus verflochten sind. Das ist sowohl eine Veränderung im Dialog wie auch in den Beschäftigungsmöglichkeiten, die wir anbieten können. Denn natürlich wird es insgesamt weniger Programm sein. Und es wird anderes Programm sein. Nur: Was wir im Haus an Flexibilität erwarten, gilt doch auch für Freie.

Wie gehen Sie mit der Grundstimmung beim Ex-SFB um: Berlin käme zu kurz, heißt es, die „Orben“ marschierten durch.

Ach wissen Sie, Befindlichkeiten kann man nicht dementieren. Befindlichkeiten sind ein Zustand. An der Diskussion möchte ich mich nicht beteiligen. Die Fakten widerlegen doch auch die Behauptung „Die Orben kommen“: Von den neuen Hauptabteilungsleitern sind drei aus Berlin. Wir werden demnächst weitere Personalia bekannt geben, und Sie werden sehen, dass sich das sehr gut durchmischen wird. Unser Ziel ist es, ein möglichst gutes Programm zu machen. Dass man da mal etwas nachtrauert, kann ich verstehen. Aber das passiert doch in anderen Häusern auch: Da wird eine Sendung eingestellt, und dann trägt die Redaktion Trauer, aber das überwindet sich schnell.

Die „Wölkchen“ über der Masurenallee bringen Sie also nicht wirklich aus der Fassung?

Ja, aber ich bin ja hier auch nicht der Atlas, der die Last der ganzen Welt auf den Schultern trägt. Und ich will hier auch nicht jeden Tag gebeugt an der Pforte stehen. Ich führe gute Gespräche von morgens um neun bis abends um zehn, die sich mit dem Neuen befassen. Das ist das Wesentliche und wird auch von allen so verstanden. Die Stammtischgespräche mögen anders sein. Aber die gibt es immer.