Massen-TÜV wird freiwillig

Datenschutzbeauftragter und Sozialverwaltung einigen sich auf Kompromiss beim Massenprofiling von Stützeempfängern: Probanden müssen zwar kommen, können bei vielen Fragen aber schweigen

von JAN ROSENKRANZ

Das geplante Massenprofiling von Sozialhilfeempfängern soll nur auf – fast – freiwilliger Basis durchgeführt werden. Darauf haben sich die Senatsverwaltung für Soziales und der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka nach intensiven Beratungen geeinigt. Die Kurzform lautet jetzt: Kommen ist Pflicht, Mitmachen nicht.

In zweitägigen Gruppenseminaren sollen 36.000 Sozialhilfeempfänger von ausgebildeten Profilern auf ihre Chancen für Jobs und Weiterbildungsmaßnahmen getestet werden (die taz berichtete). Ursprünglich sollte dieser Massen-TÜV bereits im Oktober starten, aber der Datenschutzbeauftragte hatte die Stirn in Falten gelegt – und Bedenken angemeldet: Im Laufe der Beratungen sei ihm die Sozialverwaltung aber sehr weit entgegengekommen, so Garstka gestern vor dem Ausschuss für Datenschutz.

Vereinbart wurde nun, dass die Teilnahme am eigentlichen Profiling – also der Analyse von Stärken und Schwächen – grundsätzlich freiwillig ist. Die gesetzliche Mitwirkungspflicht verlangt von den Sozialhilfeempfängern lediglich, der Einladung zu folgen und einen kurzen Block obligatorischer Fragen zu beantworten – etwa zu Schulabschluss, Ausbildung und Arbeitslosigkeit.

Außerdem sind die Profiler dazu verpflichtet, die Ergebnisse des freiwilligen Teils mit den Betroffenen zu besprechen und „einvernehmlich“ festzuhalten. Differenzen sollen als solche vermerkt werden, heißt es am Ende des vierseitigen Bogens.

„So, wie uns das Konzept jetzt vorliegt, haben wir keine datenschutzrechtlichen Bedenken mehr“, sagte Garstka. Die Beurteilung, inwieweit diese Maßnahme sozialpolitisch sinnvoll ist, sei nicht seine Aufgabe.

Inhaltlich sei das Konzept kaum verändert worden, sagte die Staatssekretärin für Soziales, Petra Leuschner (PDS), lediglich die Durchführung habe man angepasst. Ohnehin habe es keine Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Maßnahme gegeben, so Leuschner. Wenn es nur nach den Sozialämtern gegangen wäre, so Leuschner, würde der Fragebogen noch mehr Pflichtfragen enthalten. „Natürlich sind Sucht und Schulden heikle Themen, aber es sind genau die entscheidenden Vermittlungsprobleme“, so Leuschner. Das wisse jeder Arbeitsmarktexperte.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, zeigte sich „enttäuscht“ von Aussagen des Datenschützers. „Dieser Bogen ist nur gruselig“, so Wieland. Er bleibe bei seiner grundsätzlichen Kritik an dem Massenprofiling. „Hier nimmt man eine Totalausleuchtung von Personen vor, nur weil sie Sozialhilfeempfänger sind“, so der ehemalige Justizsenator.

In Berlin stünden den etwa 200.000 Empfängern von Arbeitslosengeld II lediglich 11.000 offene Stellen gegenüber. Auch die Freiwilligkeit bezweifelte Wieland. „Wie freiwillig ist die Angabe von Daten, wenn ich davon ausgehen muss, andernfalls nicht in die Arbeitsvermittlung aufgenommen zu werden?“

Kritik kam auch von der FDP. Fraktionsvize Alexander Ritzmann fragt sich etwa, „welche Konsequenzen zu erwarten sind, wenn man nach dem Pflichtteil austeigt“. Zudem könnten die Profiler viele Kriterien kaum ausdifferenzieren. Deutlich zeigt sich das bei Punkt 5, „Auftreten und Erscheinungsbild“, das „vorteilhaft“, „unauffällig“ oder „nicht vorteilhaft“ augeprägt sein kann.